Starke Präsenz
Qualität „Made in Germany“ und lokale Serviceteams – auf dem afrikanischen Kontinent und im Mittleren Osten bietet KHS das Beste aus zwei Welten. Damit punktet der Dortmunder Systemanbieter bei globalen Key Accounts ebenso wie bei kleinen und mittelständischen Unternehmen und Neueinsteigern. Wir sprechen mit Markus Auinger, Executive Vice President Market Zone Middle East/Africa und Jörg Thomas, Managing Director KHS South Africa.
Welche Bedeutung hat die Marktzone Afrika/Mittlerer Osten für KHS?
Auinger: Die Marktzone steuert 15 Prozent zum Gesamtumsatz von KHS bei. Speziell bei PET-Linien ist die Region aufgrund des starken Wachstums in diesem Segment der wichtigste Markt für uns. Anders als Leerdosen ist PET in ganz Afrika sehr gut verfügbar, und entsprechende Linien erfordern im Vergleich zu Glaslinien aufgrund der niedrigeren Investitionssumme eine deutlich geringere Kapitalausstattung. Kleine und mittelständische Neueinsteiger konzentrieren sich deshalb auf die Abfüllung in PET-Flaschen, die es ihnen ermöglicht, innerhalb kürzester Zeit Umsätze zu erzielen. Das Glassegment liegt fest in der Hand der finanzstarken Global Key Accounts wie AB InBev, Heineken, Coca-Cola, Diageo, Pepsi oder Groupe Castel, die seit Jahrzehnten in Afrika und dem Mittleren Osten präsent und etabliert sind.
Wie hat sich das Geschäft von KHS in Afrika und dem Mittleren Osten historisch entwickelt?
Thomas: Aus gutem Grund genießt KHS hier einen extrem guten Ruf: Schließlich waren wir der erste Maschinenbauer, der Abfüllanlagen auf dem Kontinent verkauft hat. Schon 1971 haben wir in Südafrika eine eigene Niederlassung eröffnet. Manche Maschinen sind seit über 30 Jahren in Betrieb – auch heute noch an sechs Tagen in der Woche und rund um die Uhr. Im Durchschnitt ist unsere Installed Base rund 17 Jahre alt. Die Maschinen werden von KHS-Technikern gewartet und wir können die Ersatzteile liefern, unabhängig vom Alter der Maschinen.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen der Region?
Auinger: Um die Herausforderungen unserer Marktzone zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass sie auf der einen Seite – zum Beispiel mit den Emiraten, Saudi-Arabien oder Mauritius – einige der reichsten Länder der Erde umfasst. Auf der anderen Seite weist sie aber auch die meisten armen und ärmsten Länder der Welt auf. Entsprechend groß ist das wirtschaftliche Gefälle. Es gibt viele grundlegende Probleme, mit denen man dort zu kämpfen hat. Dazu zählen klimatische, wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten, Kriege und Terrorismus, Hungersnöte, aber auch Importbeschränkungen oder die Zuckersteuer, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir müssen uns hier ständig an veränderte Situationen anpassen und neue Ideen entwickeln. Umso mehr müssen wir für unsere Kunden vor Ort immer ansprechbar sein und ihnen jederzeit die Unterstützung geben können, die sie benötigen.
In welchen Ländern ist KHS besonders stark vertreten und warum ist das so?
Auinger: Vor einigen Jahren gab es noch viele Regionen, die wir nicht abgedeckt haben. Heute sind unsere Anlagen in jedem Land des Vertriebsgebietes installiert und werden von unseren Technikern betreut. Überall dort, wo unsere Niederlassungen sitzen, sind wir sehr erfolgreich. Aber auch mit Kunden in Kamerun, Tansania, Mosambik, Irak, Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern mit bewegter Vergangenheit unterhalten wir sehr gute Geschäftsbeziehungen. Aktuell gibt es für uns aufgrund starken Marktwachstums in den Maghreb-Staaten* viel zu tun. Bezogen auf die gesamte Region wächst der Markt jedoch weniger stark als man vielleicht vermutet. Das liegt daran, dass es einerseits immer Länder gibt, die boomen. Ihnen stehen jedoch andererseits Nationen gegenüber, die nach extrem positiven Entwicklungen einen Rückfall erleiden. Ein Beispiel ist Angola, das sich sehr lange gut entwickelt hat. Seit vier Jahren läuft hier praktisch nichts mehr. Auch in Saudi-Arabien wird aktuell wenig investiert.
* Maghreb-Staaten = Algerien, Tunesien, Marokko und West-Sahara
Welche Maschinentypen sind in Afrika und dem Mittleren Osten besonders gefragt? Für welche Art von Getränken werden KHS-Anlagen genutzt?
Thomas: In unserer Marktzone machen wir 95 Prozent des Geschäfts mit ganzen Linien – anders als in Vertriebsregionen wie den USA, wo bis zu 50 Prozent mit Einzelmaschinen umgesetzt werden.
Auinger: Während im Mittleren Osten vor allem alkoholfreie Erfrischungsgetränke aus Dosen und PET-Flaschen konsumiert werden, haben auf dem afrikanischen Kontinent Glas-Mehrwegflaschen für kohlensäurehaltige Getränke eine lange Tradition. Das verändert sich deutlich: In Nordafrika und im Mittleren Osten sehen wir für uns einen stark wachsenden Markt für stilles Wasser in PET-Flaschen. Zusammen mit dem steigenden Bedarf an Softdrinks in Sub-Sahara erreicht das PET-Behältersegment hier inzwischen einen Marktanteil von rund 80 Prozent.
»Unsere Kunden legen Wert auf die Stabilität sowie die hohe Effizienz unserer Anlagen und belohnen diese Qualität mit großer Loyalität.«
Executive vice-president Market Zone Middle East/Africa
Wie unterscheiden sich die Anforderungen der Abfüller von denen in anderen Regionen?
Auinger: Unsere Kunden brauchen mehr Beratung in der Projektplanung und -umsetzung. In Afrika und dem Mittleren Osten werden wir als ein Garant für den Erfolg des Getränkeherstellers gesehen. Das erklärt, warum anstelle von Einzelmaschinen gesamte Linien angeschafft werden: Bei ihnen liegt die Verantwortung für das Funktionieren der Technik in einer Hand. Unsere Kunden legen Wert auf die Stabilität sowie die hohe Effizienz unserer Anlagen und belohnen diese Qualität mit großer Loyalität. Unsere Kunden wünschen sich auch viel mehr Unterstützung bei der Instandhaltung der Anlagen. Speziell in Zentral- und Ostafrika schließen wir deshalb sehr weit entwickelte Service-Level- Agreements ab, in denen wir über Jahre eine gewisse Effizienz unserer Anlagen festschreiben.
Welche Strategie verfolgt KHS in der Marktzone?
Auinger: 2013 fiel die Entscheidung, stark zu regionalisieren und vor Ort technische Kompetenz und Kapazität aufzubauen. Im selben Jahr haben wir eine eigene Niederlassung in Kenia gegründet. Entsprechend unserer Marktbearbeitung prüfen wir seitdem laufend, wo Niederlassungen oder Service-Hubs sinnvoll sind und bauen diese auf. Seit 2016 haben wir die Marktzone in sechs Cluster aufgeteilt, die von je einem Regional Center (RC) geführt werden (siehe Karte). Die Betreuung von Westafrika und den Maghreb-Staaten erfolgt bisher von Europa aus, aber auch hier werden wir durch eine eigene Niederlassung sehr bald lokale Präsenz zeigen.
Thomas: Das Ziel dieser regionalen Hubs ist es, neben der Vertriebsorganisation unser lokales Service-Knowhow auf die gesamte Produktpalette der KHS Gruppe auszuweiten. So bieten wir Kundennähe und schaffen vor Ort die Kompetenz, mit den lokalen Teams neben der Instandhaltung auch Montagen und Inbetriebnahmen durchführen zu können. Teil unserer Regionalisierungsstrategie ist das Training sowohl für unsere eigenen Mitarbeiter als auch für die der vielen lokalen Kunden. Dafür haben wir in Südafrika bereits ein eigenes Trainingscenter eröffnet. Ost- und Zentralafrika werden folgen, sodass wir bis 2022 über eine flächendeckende Trainingsstruktur verfügen.
Auinger: Darüber hinaus haben wir ein einheitliches SAP-System aufgesetzt. Es erleichtert nicht nur die Verwaltung und das Controlling, sondern funktioniert auch als Kommunikationsplattform, um die Zusammenarbeit der verschiedenen KHS-Tochtergesellschaften vor Ort zu koordinieren. Weil wir Regionalisierung als den Schlüssel zu unserem Erfolg identifiziert haben, gibt es in unseren Bemühungen auch keinen Stillstand, sondern nur permanentes Weiterentwickeln und Optimieren.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter in Ihrer Strategie der Regionalisierung?
Auinger: Noch vor 10 Jahren mussten Techniker aus Europa anreisen – heute beschäftigen wir in der gesamten Region über 250 Mitarbeiter. Diese Zahl hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreifacht. 95 Prozent unserer Belegschaft sind lokale Fachkräfte. Es gibt hier viele Menschen, die ehrgeizig sind und über großes Potenzial verfügen. Wir fördern unsere lokalen Mitarbeiter ständig, indem wir sie zum Beispiel jedes Jahr zu mehrwöchigen Schulungen nach Deutschland einladen.
»Wir waren der erste Maschinenbauer, der Abfüllanlagen auf dem Kontinent verkauft hat.«
Managing Director KHS South Africa
Welche Rolle spielen Müllvermeidung und Klimaschutz in Ihren Märkten?
Thomas: In Afrika ist man gewohnt, im Glasbereich mit wiederverwendbaren Flaschen zu arbeiten. Im stark wachsenden PET-Bereich gelingt die Umsetzung eines Kreislaufsystems oft noch nicht. Hier muss noch aktiver agiert werden. Unsere Großkunden setzen auf Themen der Nachhaltigkeit, solange es für sie kostenneutral ist. Die Bereitschaft, Verbesserungen umzusetzen, ist limitiert, solange Regierungen nicht eingreifen. Deshalb ist die internationale Politik gehalten, Druck auf die afrikanischen Länder auszuüben. Es gibt aber auch positive Beispiele: In Kenia etwa sind seit August 2017 die Produktion, Einfuhr und Nutzung von Plastiktüten verboten. Die Recycling-Rate von PET-Flaschen liegt in Südafrika bei über 70 Prozent, wobei der Großteil des recycelten Materials in die Bekleidungsindustrie geht.
Auinger: Unser Einfluss als Maschinenbauer ist beschränkt auf die Bereitstellung von entsprechenden Technologien. Wir treiben zum Beispiel die Reduzierung von Flaschengewichten und Verpackungsmaterialien aktiv voran. Aber auch die hohen Effizienzen und niedrigen Verbrauchswerte unserer KHS-Anlagen sind ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz.
Wie stellt sich die Corona-Krise besonders in Afrika und dem Mittleren Osten dar und was bedeutet das für das KHS-Geschäft?
Thomas: Die Infektionswelle hat unsere Regionen später erfasst als Europa. Trotzdem wurden teilweise frühzeitig sehr tiefgreifende Maßnahmen verhängt, etwa in Südafrika: Hier gab es nicht nur eine der weltweit strengsten Ausgangssperren, sondern auch Alkohol- und Tabakverbote – nicht nur für den Konsum, sondern auch für die Produktion.
Auinger: Die Corona-Krise trifft uns in unserer Marktzone hart. Während unsere Global Key Accounts ihre Investments zunächst ausgesetzt haben, investieren unsere eher regional tätigen Privatkunden weiterhin. Auch den Beschränkungen der Reisetätigkeit unterliegen wir selbst. Wir sind vor Ort viel stärker als bisher auf uns selbst gestellt. Wir können uns selbst viel mehr zuzutrauen und mit lokalen Kräften ‚einfach mal machen‘. So haben unsere Servicetechniker in Nigeria selbstständig komplexe Anlagen montiert und die Anlagenabnahmen bestanden. In Saudi-Arabien und Mosambik haben Mitarbeiter von Kunden mit unserer Remote-Unterstützung Inbetriebnahmen selbst abgeschlossen. In unserem Regionalisierungskurs der letzten Jahre sehen wir uns bestätigt. Er versetzt uns in die Lage, trotz der aktuellen Situation vor Ort Lösungen anzubieten und unsere Kunden zu unterstützen.