
An Herausforderungen wachsen
Fünf Regional Center, rund 70 Länder, mindestens ebenso viele Unwägbarkeiten: Langfristige Planung ist in der KHS-Market Zone Middle East/Africa seriös kaum möglich, findet deren Leiter Markus Auinger. Wer trotzdem investiert, darf auf überdurchschnittliches Wachstum hoffen.
Seit 25 Jahren bereits ist Executive Vice President Markus Auinger mit dem afrikanischen Kontinent sowie dem Mittleren Osten bestens vertraut. Seit 2011 bei KHS in Bad Kreuznach beschäftigt, hat der heute 56-Jährige hier bereits zwei Jahre später die Leitung der Market Zone Middle East/Africa übernommen. Diese steuert inzwischen mehr als 20 Prozent zum Umsatz der KHS-Gruppe bei. Damit ist der Anteil gegenüber 2020 um ein Drittel gestiegen. Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen wächst das Geschäft in diesem Teil der Erde insgesamt weiterhin überdurchschnittlich stark.
Das Potenzial wollen vor allem zwei Player ausschöpfen: Einerseits Europa, das verstärkt auf dem Kontinent investieren möchte, andererseits China, das im Rahmen des Projektes „Neue Seidenstraße“ vielen Ländern jahrelang teils riesige Kredite gewährt hat. Vor allem in Subsahara-Afrika führt das zu einem gewissen Spannungsfeld, da manche Staaten wie Ghana oder Kenia jetzt große Schwierigkeiten haben, die Gelder zurückzuzahlen.

Auch wenn die Rahmenbedingungen mitunter herausfordernd sind, wächst das Geschäft in der Market Zone weiterhin überdurchschnitt-lich stark, betont Auinger.
Wachsende Konkurrenz aus China
Angesichts der rasanten Bevölkerungsentwicklung weckt Afrika höchste Erwartungen an wirtschaftliches Wachstum – auch bei deutschen Maschinenbauern, die sich zunehmend der Konkurrenz chinesischer Anbieter ausgesetzt sehen. Zwar drängten diese jetzt mit qualitativ sehr guten Produkten in den afrikanischen Markt, wie Auinger betont. „Inwiefern diese sich allerdings hinsichtlich ihrer Lebensdauer mit unserer deutschen Anlagentechnik vergleichen lassen, kann derzeit niemand beurteilen.“
Einen Anteil von rund 85 Prozent des Umsatzes der Market Zone machen allein PET-Linien aus. Das liegt zum einen an der vergleichsweise geringeren Investition – schließlich werden anders als für Glasflaschen keine Reinigungsmaschinen oder Rinser benötigt. Zum anderen bindet das Leergut selbst Umlaufvermögen in beträchtlicher Höhe. So sind es insbesondere die internationalen Konzerne, die schon lange vor Ort präsent sind und es sich leisten können, vor allem Bier in Mehrweg-Glasflaschen abzufüllen.
„Durch seine Regional Center unterstützt KHS den Anlagenbetrieb auf dem gesamten Kontinent langfristig mit eigenen Servicetechnikern.“
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Executive Vice President Market Zone Middle East/Africa, KHS
Eigenproduktion
PET-Flaschen können dank moderner Streckblastechnik im Land selbst von den lokalen Getränkeanbietern produziert werden. Häufig lassen sich diese das Kunststoffgranulat im Container anliefern, um selbst die Preforms im Spritzgussverfahren herzustellen. Im Vergleich dazu ist die Getränkedose auf dem Subkontinent vergleichsweise unbedeutend: Vor Ort gibt es kaum Dosenhersteller. Import, Transport und Lagerung würden hohe Kosten und Kapitalbindung verursachen.
Das Thema Recycling stellt sich in der Market Zone unterschiedlich dar: So ist die Wiederverwertung von PET im Mittleren Osten inzwischen Standard – wenn auch meist nicht Flasche-zu-Flasche. In Afrika ist das Bild uneinheitlich: In vielen Ländern wird gesammelt und recycelt, in manchen nicht – je nachdem, was politisch gewollt ist. Nachhaltigkeit insgesamt ist jedoch überall ein Thema, insbesondere, wenn es um Energieeffizienz und Materialeinsparung geht. In diesem Zusammenhang punkten moderne Technologien wie der KHS-Barriereschutz Plasmax, der das Lightweighting von Kunststoffflaschen unterstützt.
Positiven Einfluss nehmen zudem die multinationalen Konzerne mit ihren ehrgeizigen Klima- und CO2-Reduktionszielen: Ihr Blick richtet sich zunehmend auf Afrika – besonders von Coca-Cola, wo man schätzt, dass hier künftig jede vierte Coke getrunken wird.

Den hohen Anteil von PET-Linien erklärt Auinger damit, dass diese keine Reinigungsmaschinen oder Rinser benötigen und deshalb mit geringeren Investitionen verbunden sind.

Hochleistung gefragt
Angesichts der parallel zur Bevölkerung mitwachsenden Nachfrage geht der Trend zu Abfülllinien mit höheren Leistungen von bis zu 90.000 Behältern pro Stunde – eine Anforderung, bei der KHS im Unterschied zum asiatischen Wettbewerb punkten kann.
Vorsprung im After Sales
„Nicht nur im Bereich der Hochleistung, auch im Servicebereich sind speziell die deutschen Anbieter ihren chinesischen oder italienischen Kollegen voraus“, betont Auinger. „Diesen fehlt bisher ein entsprechendes Setup, während KHS durch seine Regional Center den Anlagenbetrieb auf dem gesamten Kontinent mit eigenen Servicetechnikern langfristig unterstützen kann.“
Schere von arm zu reich
Die Vertriebsregion von Auinger und seinem Team reicht von einigen der reichsten Länder bis hin zu den meisten armen und ärmsten Nationen der Welt. Entsprechend heterogen stellt sich die wirtschaftliche Situation dar: Während in manchen Staaten Investitionen vergleichsweise sicher sind, ist in anderen Skepsis angezeigt. Politische Unruhen, Wahlen und Regierungswechsel hemmen die Investitionsbereitschaft der Kunden. Und senken somit auch deren Risikobereitschaft.
Grundsätzlich ist die Situation in den meisten Ländern sehr volatil, so dass eine seriöse und über Zeiträume von fünf bis zehn Jahren hinausgehende Planung kaum möglich ist. Umso wichtiger ist es, dass neue Produktionskapazitäten schnell hochgefahren werden, damit diese sich in kurzer Zeit amortisieren können.

Bei den in seiner Market Zone zunehmend nachgefragten Abfülllinien mit höheren Leistungen kann KHS im Unterschied zum asiatischen Wettbewerb punkten, findet Auinger.
Investitionsbremse Kreditzinsen
„Dagegen spricht speziell in Subsahara-Afrika ein häufig langer Weg von der Investitionsentscheidung bis zu deren Umsetzung“, erklärt Auinger. „Einbrechende Wechselkurse, hohe Staatsschulden und Zahlungsrückstände sorgen für schlechte Finanzratings. Für Unternehmen wird es dann immer teurer, Kredite zur Finanzierung ihrer geplanten Investitionen zu erhalten – für manche sogar unmöglich.“
Anderen Risiken sind ausländische Unternehmen in Nordafrika ausgesetzt, wo zur Absicherung von Investitionen weitgehend Akkreditivpflicht herrscht. Und im Mittleren Osten stellt sich das Problem dank erheblicher Öl- und Gasvorkommen sowie einer hohen Kaufkraft erst gar nicht.
Vorerst keine KHS-Werke
Angesichts der vielfältigen Unwägbarkeiten sind laut Auinger eigene Produktionsstätten in seiner Vertriebsregion vorerst kein Thema. Viele Standorte kämen aufgrund der Rahmenbedingungen nicht in Frage, stellt er fest. Und da es vor Ort keine funktionierende Supply Chain gebe, müssten alle für die Herstellung von Anlagen erforderlichen Materialien über teilweise riesige Distanzen transportiert werden – daraus ergebe sich kein Vorteil.
Wie unterschiedlich die Herausforderungen in den fünf Regionen der Market Zone insgesamt sind, schildert Auinger im Einzelnen im Artikel „Immer anders“.

Angesichts der Rahmenbedingungen und einer fehlenden Supply Chain sind eigene Werke in der Market Zone Middle East/Africa für Auinger vorerst kein Thema.

Risiken begrenzen
Wie wappnet sich ein Unternehmen wie KHS gegen diese Herausforderungen? „Eine zentrale Rolle spielt das Risk Management“, betont Auinger. „Indem wir etwa im Jemen oder in Somalia aktiv sind, werden wir bei allem wirtschaftlichen Interesse einerseits unserer Verantwortung für die Versorgung von Menschen auch in gefährlichen Regionen gerecht. Aber Sie können sich sicher vorstellen, dass es hier andererseits darum geht, die Sicherheit für Leib und Leben unserer eigenen Mitarbeiter sicherzustellen. Hier arbeiten wir eng mit Partnern zusammen, die über die Anpassung des jeweils eigenen Verhaltens hinaus für den Schutz und die Unversehrtheit der Kollegen sorgen.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei der Schutz vor Zahlungsausfällen, vor allem mittels Hermes-Bürgschaften als staatlicher Absicherung deutscher Exporteure und Anstoß für mehr Investitionen. Das daraus folgende Wachstum afrikanischer Geschäfts- und Entwicklungsbanken mache die Finanzierung lokaler Geschäfte auch für deutsche Banken attraktiver.
Konsequent regional
„Schließlich ist unsere Strategie der konsequenten Regionalisierung ein weiterer wichtiger Faktor zur Stabilisierung eigener Geschäftsaktivitäten“, ergänzt Auinger. „Indem wir unsere Kunden vor Ort bei der Instandhaltung der Anlagen unterstützen, werden wir als ein verlässlicher Partner gesehen – als Garant für das Funktionieren der Technik und somit für den Erfolg der Getränkehersteller.“
„Unsere Strategie der konsequenten Regionalisierung ist ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung unserer Geschäftsaktivitäten in Afrika.“
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Executive Vice President Market Zone Middle East/Africa, KHS
Lokale Mitarbeiter im Fokus
Ein wesentlicher Aspekt der Regionalisierung sind lokale Arbeitskräfte. „Von den rund 330 Mitarbeitern, die wir in der Market Zone insgesamt beschäftigen, sind über 90 Prozent dort zuhause“, erklärt Auinger. „Das sind hochqualifizierte Fachkräfte, die es schätzen, für einen westeuropäischen Maschinen- und Anlagenbauer zu arbeiten.“ In der Vergangenheit sei hohe Fluktuation ein Problem gewesen. Arbeitnehmer hätten sich wenig an ihre Unternehmen gebunden gefühlt und seien häufig für einen nur wenig höheren Lohn zum nächsten Job gewechselt. Das sei heute anders: Eine Anstellung bei KHS würde durchaus als eigene Referenz gesehen und mit Loyalität belohnt. Zudem seien afrikanische Länder längst keine Billiglohnländer mehr. Und einem zunehmenden Hunger nach Bildung und Qualifikation stünden entsprechend gute Angebote zum Beispiel an Hochschulen gegenüber. Kandidaten gebe es genug, findet Auinger, man müsse nur die richtigen finden, die idealerweise auch praktische Erfahrung mitbringen sollten.
Diversität großgeschrieben
Einmal bei KHS, ergeben sich für die Mitarbeiter des sehr global aufgestellten Unternehmens viele Chancen: Angesichts von zahlreichen und spannenden Engineering-Aufgaben in Deutschland, USA, Brasilien, Indien und China rückt für viele der Traum, vorübergehend oder für immer im Ausland zu arbeiten, in greifbare Nähe. Schon heute werde in der gesamten Gruppe Diversität großgeschrieben, so Auinger: „Bei einem internen Sales & Service Meeting haben sich kürzlich in Tunis 50 Führungskräfte aus 14 Nationen getroffen, davon nur rund ein Drittel aus Europa. Als Team bilden wir eine homogene Einheit, die von den gleichen Bedürfnissen angetrieben wird. Egal welcher Herkunft oder Religion wir sind, die Zusammenarbeit und Atmosphäre sind immer geprägt von Respekt und Toleranz.“
Die Unterschiedlichkeit ist es, die Auinger seit vielen Jahren für die Region begeistert. Sich ständig an neue Situationen anzupassen und neue Ideen zu entwickeln, mache den Reiz seiner Arbeit aus. „Und selbst wenn ich in meiner Rolle längst nicht mehr der erste Verkäufer vor Ort bin, sondern von Bad Kreuznach aus Ziele vorgebe und Entwicklungen steuere – ich reise immer noch gerne und viel in die gesamte Region. Das bleibt spannend!“