Vor Antritt seiner aktuellen Aufgabe wurde Partho Ghose in den 26 Jahren, die er bei KHS India fest angestellt ist, genau drei Mal befördert – aber jede der wenigen Stufen auf seiner Karriereleiter war ein riesiger Sprung: 1997 als Manager für den Bereich Geschäftsentwicklung gestartet, wurde er 1999 zum Deputy General Manager ernannt. 2002 übernahm er zuerst die Rolle des Vice President, bevor er 2011 schließlich als Executive Vice President Mitglied in die Geschäftsführung von KHS India aufgenommen wurde. Seit Anfang 2023 ist er nun Joint Managing Director und führt das Unternehmen gemeinsam mit Yatindra Sharma, dem 68-jährigen Managing Director. Gemeinsam sind beide derzeit damit beschäftigt, große Pläne umzusetzen: „Wir befinden uns an der Schwelle zu einem neuen Kapitel in der Erfolgsgeschichte von KHS in Indien“, sagt Ghose. „Wie im Rest der Welt spielen bei uns die Megatrends Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft eine immer größere Rolle. Zudem werden besonders in einem extrem kostenbewussten Land wie unserem die Themen Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zunehmend wichtiger, plus eine starke Fokussierung auf internationale Spitzenqualität. Diesen Herausforderungen muss die KHS-Niederlassung im westindischen Ahmedabad unverzüglich begegnen und sich im Sinne von OneKHS stärker an der globalen Ausrichtung von KHS orientieren. Seit unserer Gründung sind wir als Unternehmen stetig und profitabel gewachsen. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr gute Erfolge erzielt, insbesondere im Zuge der Covid-Pandemie, und jetzt ist für uns die Zeit gekommen, den nächsten Schritt zu gehen – oder eine Kursanpassung vorzunehmen, wie ich es ausdrücke.“

»In den vergangenen Jahren haben wir in Indien sehr gute Erfolge erzielt, aber jetzt ist es Zeit für uns, den nächsten Schritt zu gehen.«

Partho Ghose

Joint Managing Director, KHS Indien

 

Große Pläne in Ahmedabad

Dafür hat man vor Ort ein dreiteiliges Expansionsprojekt aufgesetzt: Erstens erfolgt eine Ausweitung der Infrastruktur durch Vergrößerung der Produktionsfläche um 60 Prozent, die es erlaubt, die wachsende Nachfrage zu befriedigen. Zweitens wird das Produktportfolio runderneuert und aufgewertet: Hat man bisher vor allem Anlagen im mittleren Leistungsbereich hergestellt, wird jetzt der Hochleistungsbereich angepeilt – mit den neuesten Technologien, die KHS zu bieten hat. Und drittens schließlich steht die Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden im Fokus, um die Expansion praktisch umsetzen zu können. „Das betrifft nicht nur die Fertigung, sondern darüber hinaus Service, Projektmanagement und die Konstruktion“, sagt Ghose. „Die Aussicht an der globalen Entwicklung etwa im Bereich hochmoderner Aseptik- und Beschichtungstechnologie mitzuwirken, beflügelt uns alle und zieht junge und gut ausgebildete Fachkräfte an.“

Neben dem Expansionsprojekt ist es insbesondere die Implementierung der weltweit vernetzten KHS-Systemlandschaft, unter anderem der aktuelle Rollout des SAP S/4HANA bei KHS Indien, die Ghose als Quantensprung für seine Niederlassung sieht: „Haben wir bisher in einer Art Inseldasein vor allem den heimischen Markt weitestgehend mit unseren lokalen Produkten bedient, können wir durch die Anbindung an OneKHS mit seinen weltweit einheitlichen Prozessen langfristig eine größere strategische Rolle spielen. Die digitale Vernetzung erleichtert auf der einen Seite den Austausch von Informationen mit Blick auf Produktion und Technik und ermöglicht uns auf der anderen, mit den gleichen Werkzeugen zu arbeiten wie unsere Kollegen auf der ganzen Welt – von der Angebotsvorbereitung bis zu After-Sales.“

Nachdem 1993 im Zuge der Liberalisierung der indischen Wirtschaft wichtige Key-Accounts wie Coca-Cola hier wieder ihre Geschäfte aufnahmen, war der Bedarf an Maschinen und Anlagen für die wachsende Getränkeindustrie groß. Im selben Jahr kam es zum ersten Kontakt zwischen KHS und Ghose, der damals als Ingenieur bei einem lokalen Maschinen- und Anlagenbauer beschäftigt war, das für KHS Lizenzfertigungen übernahm. Er begeisterte sich schnell für Hightech aus Deutschland und bewunderte, dass die Dortmunder sich als erster Systemanbieter überhaupt langfristig in seiner Heimat engagierten und die Errichtung eigener Produktionskapazitäten planten. Als KHS 1997 schließlich mit einer lokalen Ingenieursgesellschaft ein Joint Venture einging und erstmals selbst vor Ort investierte, trat Ghose als Mitarbeiter Nummer 6 in die Firma ein – als Mann der ersten Stunde.

»Mein Job bei KHS erlaubte mir endlich, mein Kommunikations- und Verkaufstalent mit meiner Ausbildung als Verfahrenstechniker in Einklang zu bringen.«

Partho Ghose

Joint Managing Director, KHS Indien

 

Neue Heimat in der Ferne

Die ersten Jahre kümmerte er sich von Delhi aus um den Vertrieb. „Anders als mein vorheriger Job erforderte das viel technologisches Verständnis und erlaubte mir endlich, mein Kommunikations- und Verkaufstalent mit meiner Ausbildung als Verfahrenstechniker in Einklang zu bringen.“

2007 zieht er mit seiner Familie endgültig nach Ahmedabad. Ursprünglich aus Kalkutta im Osten stammend, stellt der Umzug in die 2.000 Kilometer entfernte Metropole eine Herausforderung dar: „Zwar versteht sich Indien als Einheit in Vielfalt, aber im Grunde handelt es sich um viele Länder in einem, sodass man sich mancherorts regelrecht als Ausländer fühlen kann: Von einem Bundesstaat zum andern kann sich alles verändern – die Topographie, das Klima, die Sprache, die Essgewohnheiten. Es gibt 22 offizielle Landessprachen, und das im Bundesstaat Gujarat gesprochene Gujarati beherrsche ich bis heute nicht. Selbst das Essen ist hier völlig anders als in meiner Heimat Westbengalen. In Ahmedabad stehen vor allem Gemüse und Obst hoch im Kurs, sodass es vorkommen konnte, dass wir anfangs meilenweit fahren mussten, wenn wir Fleisch oder Fisch kaufen wollten.“ In den letzten Jahren ist die mit rund 6 Millionen Einwohnern siebtgrößte Stadt Indiens deutlich kosmopolitischer geworden und Ghose, seine Frau und die beiden 15- und 18-jährigen Töchter haben sich längst eingelebt. Im Lauf der Zeit hat sich auch KHS verändert: Aus anfänglich sechs Mitarbeitenden sind inzwischen rund 500 geworden, weitere 130 sollen im Zuge der Kapazitätserweiterung folgen.

Aufmerksamer Beobachter

Mit seiner neuen Rolle wächst die Verantwortung. Ghose möchte seinen Mitarbeitenden ein Umfeld bieten, in dem sie sich ohne Versagensängste entwickeln und ihre Leidenschaft frei ausleben können. „Natürlich gibt es endlos viele Bücher und schlaue Texte über gute Führung, aber ich lasse mich davon leiten, dass ich meine Kollegen inspiriere, unterstütze, führe und fördere. Ob mich das zu einem guten Chef macht, können meine Teams besser beantworten“, lacht er. Zu seinen wichtigsten Stärken zählt der 54-Jährige, dass er ein ausgezeichneter Beobachter sei, der sich immer darum bemühe, den Standpunkt seines Gegenübers wahr- und einzunehmen wie seine eigenen Äußerungen ankämen – insbesondere über verschiedene Kulturen hinweg.

Wenn ihm nach einem vollen Arbeitstag und der jeweils einstündigen Hin- und Rückfahrt ins Büro noch Zeit bleibt, genießt er zu Hause die Musik. Das bedeutet, dass er gerne lokalen Liedern auf Hindi oder echten Oldies von John Denver, Harry Belafonte, Joan Baez oder Jim Reeves lauscht. Viel lieber jedoch spielt er auf seiner Sarod, einer indischen Langhalslaute – obwohl er kaum noch Zeit zum Üben findet. „Ich hoffe, dass ich diese Leidenschaft im Ruhestand wieder aufleben lassen kann“, sagt er ein bisschen reumütig. „Wäre ich nicht Ingenieur geworden, hätte Musiker mein Traumberuf sein können“, sinniert er. „Oder Bergsteiger.“ Schließlich hat er seit seiner Studienzeit immer wieder Gipfel von bis zu 5.000 Meter Höhe erklommen – zuletzt vor sechs Jahren im Himalaya. Mit steilen Aufstiegen ist er also bestens vertraut – sowohl in der freien Natur als auch in seiner beruflichen Laufbahn.