Globetrotter mit Mission

29.06.2023,

3 Min. Lesedauer

Im Rahmen der Inbetriebnahme von KHS-Anlagen ist Adem Serilmez auf der ganzen Welt im Dauereinsatz – und findet dennoch die Zeit für eine erstaunliche Leidenschaft, die ihm höchste Anerkennung und tiefe Befriedigung verschafft.

Wer sich schon als Kind den Filmhelden Indiana Jones zum Vorbild nimmt und sich im Lexikon lieber über Darwin informiert als Romane zu lesen, für den sind im Erwachsenenalter Abenteuer und Reisen quasi vorprogrammiert. Das gilt in besonderem Maß für Adem Serilmez, der schon früh davon träumt, im Dschungel in Regionen vorzudringen, die noch kein Europäer gesehen hat. Zunächst steht jedoch nach der Schulzeit die Ausbildung zum Feinwerkmechaniker mit Schwerpunkt Maschinenbau an. Darauf folgen zwei Jahre bei der Marine: „Ich war damals sehr sportlich und wollte als Teil eines Boarding Teams dortbleiben“, erinnert er sich. „Das sind jene Soldaten, die sich aus einem Hubschrauber abseilen, um zum Beispiel in Somalia Handelsschiffe zu sichern – das hätte ich spannend gefunden.“ Weil er die Bewerbungsfrist knapp verpasst, wird daraus nichts. Um nicht ein Jahr zu verlieren, wirft er sich stattdessen in das Abenteuer Montage, zunächst bei einem Vertragspartner, der im Auftrag von KHS Getränkeabfülllinien weltweit installiert und in Betrieb nimmt. Seit 2015 ist er direkt beim Dortmunder Anlagen- und Maschinenbauer als Inbetriebnahmetechniker Fülltechnik angestellt.

Kind des Ruhrpotts

1985 wird Serilmez als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters in Dorsten im Ruhrgebiet geboren – keine 300 Meter von der Zeche Fürst Leopold entfernt, wo Großvater, Onkels und der eigene Vater beschäftigt sind. Seine Herkunft aus dem „Pott“, wo es schon immer etwas rauer zugegangen ist als in anderen Regionen, sieht er – neben seinem Erlebnishunger – als einen weiteren bestimmenden Faktor seiner Entwicklung: „In einer Bergarbeitersiedlung gibt es keine Schwätzer – hier wird mehr malocht als geredet“, sagt er. „Wer an so einem Ort aufwächst, weiß, dass er liefern muss, wenn er etwas werden will“, sagt er.

Nonstop unterwegs

Abliefern – so könnte auch das Motto seines Jobs lauten, in dem er sich niemals mit halben Sachen zufrieden geben will. Wenn beim Einbringen von technischer Ausstattung tonnenschwere und Millionen Euro teure Maschinen am Kran hingen, sei das schließlich eine enorme Verantwortung, findet er. Den Großteil seiner Arbeitszeit verbringt er naturgemäß beim Kunden. Wenn er nicht gerade für Nachbesprechungen, Schulungen oder neue Werksabnahmen in seine „Homebase“ am KHS-Standort in Bad Kreuznach zurückkehrt, ist er quasi nonstop auf der ganzen Welt unterwegs. Daran hat selbst die Pandemie, in der die meisten Flugzeuge am Boden blieben, nichts geändert. Für Serilmez gab es immer einen Weg, sein Ziel zu erreichen, auch wenn das schon mal eine unkonventionelle Routenplanung erforderte.

»In einer Bergarbeitersiedlung gibt es keine Schwätzer – da wird mehr malocht als geredet. Wer hier aufwächst, weiß, dass er liefern muss.«

Adem Serilmez

Inbetriebnahmetechniker Fülltechnik, KHS

So vielseitig und umfassend wie seine Tätigkeit, so hoch ist sein Arbeitsaufkommen. Außerhalb der Routine von Inbetriebnahmen gibt es in seinem Beruf immer wieder den Ausnahmefall, bei dem es nötig sein kann, eigene konstruktive Lösungen zu entwickeln, um etwa eine Maschine erfolgreich ans Laufen zu bringen. Dann fühle man sich manchmal wie eine Art Ersthelfer. Die dafür erforderlichen Fertigkeiten erlerne man nicht in der Schule, betont er: „Den meisten Input erhältst du von älteren Kollegen, die dich anfangs an die Hand nehmen und dir erklären, wie es funktioniert. Der Rest ist dann eigene Berufserfahrung.“ Und neben dem technischen Geschick sei diplomatisches Fingerspitzengefühl nötig, um mit den ständig wechselnden Mentalitäten und Kulturen zurechtzukommen, mit denen er im Alltag konfrontiert sei. Die Sprachbarriere stehe der Zusammenarbeit vor Ort aber kaum im Weg: „Die meisten Leute sprechen Englisch, oder wir verständigen uns eben mit Händen und Füßen.“ Ein paar Wörter gingen zudem immer, stellt er fest und lacht: „Immerhin kann ich in 7 oder 8 Sprachen ein Bier bestellen.“

Unerschütterlich

Am liebsten arbeitet er im Mittelmeerraum und – im Sommer – in ­Skandinavien, wie er nach einigem Überlegen erklärt. Eher herausfordernde Ziele seien dagegen etwa „Schwellenländer, in denen Präsidentschaftswahlen anstehen“, sagt er, speziell in Afrika oder im Mittleren Osten. Einmal explodiert in Afghanistan nur 300 Meter von seinem Arbeitsplatz entfernt eine Autobombe, deren Druckwelle alle Fenster der Halle zerstört, bevor eine unheimliche Stille sich über den Ort legt. Angesichts solcher Eindrücke erschüttern ihn selbst extreme Naturereignisse wie Überschwemmungen in China, Sandstürme in Saudi-Arabien, ein Erdbeben in Myanmar oder ein Hurricane in der Karibik kaum noch: „In solchen Situationen wird dir bewusst, was für ein kleines Individuum du im Grunde bist. Mich machen solche Erfahrungen vielmehr tiefenentspannter“, resümiert er seine Haltung dazu. Berührend findet er hingegen, wenn er beispielsweise in Entwicklungsländern Anlagen aufbaut und die lokalen Arbeiter sich bei ihm dafür bedanken, dass er eine Grundlage geschaffen hat, die ihnen ein Einkommen sichert.

Die Tatsache, dass jemand, der beruflich pausenlos unterwegs ist, auch privat gerne reist, erklärt Serilmez so: „Man stellt sich das vielleicht romantisch vor. Aber im Job siehst du nicht viel mehr als den Flughafen, das Hotel und den Betrieb, in dem du gerade tätig bist. Da bleibt nur am Wochenende mal Zeit für Land und Leute.“ Als er – inspiriert durch einen Freund, der in Katmandu, der Hauptstadt Nepals eine Reiseagentur betreibt – 2017 dort einen längeren Urlaub verbringt, ist das anders: Endlich hat er jetzt die Zeit, sich einen Traum zu erfüllen und in das 5.364 Meter hoch gelegene Basislager des Mount Everest zu wandern. Dort macht er eine folgenreiche Entdeckung: Für die Marschverpflegung werden Taparis genannte Teller aus zusammengenähten Bananenblättern genutzt, die leicht, natürlich und nachhaltig sind.

Nachhaltiger Nebenjob

Schnell entsteht die Idee, diese Teller auch in der Heimat zu vermarkten. Zusammen mit besagtem Freund gründet er, nachdem er für seine Nebentätigkeit grünes Licht von seinem Arbeitgeber bekommen hat, das Start-up Pleta. Die mittlerweile 20 Mitarbeitenden sammeln in Nepal herabgefallene Blätter der Areca-Palme, reinigen und weichen sie ein, bevor diese bei circa 100 Grad Celsius in Form gepresst werden. 450.000 Teller haben in der Zwischenzeit den (See-)Weg nach Deutschland gefunden – verpackt in Kartonagen, die selbstverständlich zurückgenommen werden. Die vollständig biologisch abbaubaren und ohne jeglichen Einsatz von Chemikalien hergestellten Teller und Schalen erfreuen sich bei Zahnärzten, Bäckern, Gastronomen und sogar in Justizvollzugsanstalten oder bei Greenpeace großer Beliebtheit. Für einen regelrechten Nachfrageschub sorgte Ende 2021 die Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, einer nationalen Auszeichnung für innovative Ideen für nachhaltige Designs.

Für Adem Serilmez, der sich in seiner knappen Freizeit um die Produktionstechnik in Nepal kümmert, steht bei Pleta nicht allein der kommerzielle Erfolg im Vordergrund: „Wir verstehen uns als ein sozioökologisches Unternehmen, das mit seinem Erfolg den Menschen vor Ort und der Natur etwas zurückgeben kann. Wenn ich in der Rückschau einmal sagen kann, dass ich ein paar Leuten eine Perspektive gegeben und die Welt ein bisschen besser gemacht habe, bin ich zufrieden“, sinniert er und lacht: „Wer hätte einmal gedacht, dass ich mein Abenteurerleben mit Flaschen, ­Dosen und Tellern verbringe?“