Der Campus Weihenstephan der TU München gilt als eine der ersten Adressen für alles, was mit Bier und Milch zu tun hat – ein idealer Ort, um Wissenschaft mit Natur und Technik zu verbinden. Von solchen Gedanken lässt sich Tim ­Steinhauer leiten, als er hier Technologie und Biotechnologie der Lebensmittel studiert. „Meine Familie führt in einem Dorf bei Bad Kreuznach eine handwerkliche Bäckerei. Das hat mich – zusammen mit der Tatsache, dass ich in der Weinregion Nahe aufgewachsen bin – geerdet. Zugleich hat es mein Interesse an qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und Getränken begründet.“

Seit September 2021 leitet Steinhauer das Product Center Fülltechnik bei KHS – ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter: Parallel zu seiner Promotion im Bereich der Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik kehrt er 2015 aus Bayern in seine alte Heimat zurück. „Über ­einen Freund, der selbst bei KHS beschäftigt ist, erfuhr ich, dass man hier nach Absolventen meiner Fachdisziplin suchte. Ich habe mich dann beworben und durfte an einem superspannenden, fast zweijährigen Traineeprogramm für Nachwuchsführungskräfte und -experten teilnehmen. In dieser prägenden Zeit lernte ich verschiedene KHS-Standorte und viele Kollegen weltweit kennen.“ Nachhaltig beeindruckt ihn vor allem ein dreimonatiger Aufenthalt in der brasilianischen Niederlassung. „Zwar sei das riesige Land damals in mancher Hinsicht wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt gewesen. Aber man habe dort die unvergleichliche Gabe, aus allem das Beste herauszuholen sowie in Situationen des Mangels schnell und pragmatisch Umgehungslösungen zu finden“, sagt Steinhauer. „In meiner Wahrnehmung macht sich Brasilien als Zuwanderungsland dabei alles zu eigen, was von außen kommt, und ist sehr kreativ. Das macht richtig Spaß.“ Von diesem Vorbild könne man lernen, Dinge einfach mal zu machen, mutig auszuprobieren und mit Fehlern anders umzugehen, findet er – das gelte auch für sein Arbeitsumfeld bei KHS.

»Mit dem von KHS erfolgreich praktizierten Local-to-Local-­Ansatz verkürzen wir unsere Liefer­ketten und optimieren damit die Liefer­zeiten.«

Tim Steinhauer

Leiter des KHS Product Centers Fülltechnik in Bad Kreuznach

 

Auf der Karriereleiter nach oben

Nach seiner Zeit als Trainee steigt er in die Prozesstechnik ein, wo der Lebensmitteltechnologe ein Jahr lang Projekte leitet, bevor er den Kompetenzbereich für Getränketechnologie und drei Labors mit Fokus auf Beratungsleistungen für Kunden übernimmt. Ab 2020 führt Steinhauer das Product Center Prozesstechnik, bevor er nur ein Jahr später im Rahmen einer altersbedingten Nachfolge Leiter der Fülltechnik wird. Begleitet wird der Rollentausch mit seinem Vorgänger durch einen Wissenstransfer nach der Transferwerk-Methode. „Sie stellt sicher, dass das Know-how sowie das Wissen über Kunden und Lieferanten vom ausscheidenden bisherigen Erfahrungsträger schrittweise auf ‚den Neuen‘ übertragen werden. Eine Methode übrigens, die wir nicht nur bei Führungskräften anwenden, sondern auch auf dem Shopfloor, wo durch den demographischen Wandel viele ältere Mitarbeitenden in den Ruhestand gehen.“

Das Ziel, mit dem er seine neue Funktion angetreten hat, ist klar: Er möchte seinen Bereich widerstandsfähiger machen für die sogenannte VUCA-Welt*, in der traditionelle Managementsysteme schnell an ihre Grenzen geraten. „Die aktuellen Umwälzungen wie Klimawandel, Digitalisierung und die veränderte Weltordnung wirken sich viel schneller auf unser Geschäft aus als früher und fordern uns in anderer Weise heraus: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind die erforderlichen Kompetenzen von heute und noch mehr von morgen. “

* VUCA = Akronym für die Begriffe Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit), das schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung beschreibt.

Konkret hat Steinhauer sich vorgenommen, in seinem Fachbereich Produktentwicklungen voranzutreiben, um Kundenanforderungen an Effizienz und Flexibilität noch gerechter zu werden. Weil er weiß, dass dies nur zusammen mit den Menschen erfolgreich gelingt, lebt er flache Hierarchien, steckt mit seinem Team gemeinsame Handlungsfelder ab, innerhalb derer sich die Mitarbeitenden dann kreativ und unternehmerisch einbringen. Von dieser Art der Führung verspricht Steinhauer sich hohe Umsetzungsgeschwindigkeiten, weil viele Menschen den Prozess von Anfang an mittragen. „Wenn mir das gelingt, gewinnen das gesamte Team, KHS und unsere Kunden.“

Local-to-Local-Ansatz

Eine zentrale Rolle für den Erfolg spiele die Internationalität. In der Vergangenheit habe man neue Technologien in Deutschland entwickelt und von dort global ausgerollt. Heute würden die KHS-Standorte in Brasilien, Mexiko, den USA, Indien und China in die Entwicklungsarbeit eingebunden. „Das funktioniert ausgezeichnet und steigert das Selbstbewusstsein vor Ort“, freut sich Steinhauer. Aber nicht nur die Entwicklungsarbeit erfolgt global vernetzt. „Durch die Standardisierung unserer Füller und die Einführung entsprechender Produktplattformen erleichtern wir die dezentrale Produktion. Unser Werk in Brasilien baut zum Beispiel Füller für ganz Südamerika, während unsere Standorte in Indien und China für die Märkte Asiens produzieren. Durch diesen Local-to-Local-Ansatz verkürzen wir unsere Lieferketten und optimieren damit die Lieferzeiten. Zugleich sorgen wir für klimafreundlichere Transportwege sowie eine geringere Störanfälligkeit.“

Als Kind hatte Tim Steinhauer Kapitän auf einem Segelschiff werden wollen. Den Traum vom Segeln hat er sich im Kleinen erfüllt, unter anderem mit einer Atlantik­überquerung auf einer kleineren Segeljacht im Jahr 2013. „Das war ein prägendes Ereignis, speziell hinsichtlich der Dynamik in einer Crew, deren Mitglieder sich zuerst gar nicht kannten. Sobald sich eine tragfähige Vertrauensbasis bildet, ist es erstaunlich, wozu ein Team plötzlich in der Lage ist. Wir haben zum Beispiel in Stürmen massive Grenzsituationen gemeistert, ohne dass wir groß reden mussten.“

Inzwischen sind das Segeln sowie das Reisen überhaupt aufgrund des fast zweijährigen Nachwuchses noch etwas eingeschränkt, und so geht der 36-Jährige in seiner knappen Freizeit den übrigen Hobbies nach: Wandern, Radfahren und – auch in dieser Hinsicht ganz heimatverbunden – Singen im lokalen Männerchor.