Geschlossener Kreislauf
Am Beispiel einer Saftflasche zeigt KHS mit dem Projekt „Beyond Juice“, wie eine Antwort auf die drängenden Fragen der Abfallvermeidung und -verwertung aussehen kann. Vom Recyclingspezialisten Interseroh gibt es dafür das „Made for Recycling“-Siegel.
Die Entwicklung und Herstellung nachhaltiger Verpackungen gehören zum Kerngeschäft von KHS. Neben den technischen Herausforderungen stellt sich auch die Frage, wie man Konsumenten erreicht und von solchen Lösungen überzeugt. Um das besser zu verstehen, haben sich die Abfüllungs- und Verpackungsspezialisten von KHS mit den Recycling-Fachleuten des Umweltdienstleisters Interseroh zusammengetan. Beim Versuch, das Inputmaterial zu verbessern und den Recyclingansatz auszuweiten, ging es speziell darum, auch jene Bereiche und Materialien in die nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu integrieren, die heute noch außen vor sind. Das betrifft insbesondere sensitive Lebensmittel, deren Produktschutz bisher meist aus nicht nachhaltigen Materialien besteht und die deshalb vom Recyclingverfahren ausgeschlossen sind. Zusätzlich sollten positive Ergebnisse für Konsumenten erkennbar gemacht werden, damit auch diese verantwortlich handeln können.
»Ich bin überzeugt, dass Konsumenten auf der Suche nach Gütezeichen sind, die einen echten Mehrwert liefern.«
Product Manager Barrier Technology, KHS
Besondere Anforderungen
Um zu zeigen, was hier heute schon möglich ist, wurde ein Projekt mit dem Namen „Beyond Juice“ gestartet, da sich gerade bei Fruchtsaftgetränken ganz besondere Anforderungen ergeben.
Um sensitive Getränke und Lebensmittel vor Sauerstoffeintrag und dem damit verbundenen Frische- und Qualitätsverlust zu bewahren, bedürfen PET-Flaschen eines Schutzes vor Permeation*. Dieser sogenannte Barriereschutz wird bislang bei Kunststoffen meist mit Blend- oder Multilayer-Materialien erreicht, die ein späteres Flasche-zu-Flasche-Recycling zu sortenreinem PET-Rezyklat erschweren oder sogar unmöglich machen: Die Materialmischungen oder Verbundmaterialien lassen sich nur schwer voneinander trennen und bilden ein Wirrwarr von Sekundärrohstoffen und chemischen Verbindungen. Immerhin circa 10 Prozent aller PET-Flaschen in Deutschland sind vom Pfandsystem ausgeschlossen. Diese ‚Wertstofflücke‘ von jährlich rund 44.200 Tonnen PET hat auch der Gesetzgeber erkannt und belohnt umweltschonende Verpackungslösungen seit Anfang 2019 im Rahmen des neuen deutschen Verpackungsgesetzes. Ziel ist es, die Auswirkungen von ungenutzten Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu verringern, indem diese möglichst vermieden oder sinnvoll recycelt werden. Auch über die Grenzen Deutschlands hinaus gewinnt das Thema schnell an Bedeutung. Das zeigt die von der EU-Kommission Anfang 2018 vorgestellte Plastikstrategie, deren Anspruch es ist, dass der gesamte Verpackungsmüll in Europa bis 2030 recyclingfähig ist.
*Permeation: Vorgang, bei dem ein Stoff einen Festkörper durch molekulare Zwischenräume durchdringt oder durchwandert.
So lange wollten die KHS-Experten von Bottles & Shapes™ nicht warten, verfolgen sie diesen Gedanken doch schon seit einiger Zeit, wie Arne Wiese, Product Manager Bottles & Shapes™, erklärt: „Selbstverständlich muss eine Flasche, in die zum Beispiel Fruchtsaft gefüllt wird, zunächst der Aufgabe gerecht werden, ihren empfindlichen Inhalt optimal zu schützen. Unser primäres Ziel war es, einen Behälter zu entwickeln, der auch unabhängig von seinem empfindlichen Inhalt den geringstmöglichen Einfluss auf die Umwelt hat.“
Dies drückt sich auch durch den Namen des Projektes aus: „Beyond Juice“ steht einerseits für den Blick über den Tellerrand der Anforderungen, die sauerstoffempfindliche Säfte selbst stellen. Andererseits drückt der Name auch aus, dass sich das Prinzip ebenso auf alle übrigen sensitiven und schützenswerten Anwendungen übertragen lässt.
Zum Thema der Kennzeichnung und Kommunikation zum Konsumenten bietet Interseroh seit 2018 das Siegel „Made for Recycling“ an. Auf Basis wissenschaftlicher Kriterien bescheinigt es die sehr gute Recyclingfähigkeit von Verpackungen und unterstützt den zunehmend umweltbewussten Kunden beim Einkauf nachhaltiger Produkte.
»Die Recyclingfähigkeit wird sich neben den Aspekten Produktschutz, Convenience und Attraktivität als gleichwertig etablieren.«
Projektmanager Verpackungsoptimierung, Interseroh
Viele offene Fragen
In der aktuellen Plastikdiskussion werden praxistaugliche Lösungen auch für die Getränkeindustrie immer wichtiger: Viele Hersteller beschäftigen inzwischen ganze Abteilungen, die sich damit befassen, was die ökologisch beste Verpackung ist und was Endverbraucher wollen. Angesichts der Komplexität des Themas und der daraus resultierenden Verwirrung des Konsumenten stimmt das nicht immer überein, betont Wiese. Sein Kollege Philipp Langhammer, Product Manager Barrier Technology bei KHS, konkretisiert, was das für KHS bedeutet: „Unsere Kunden stellen sich den Fragen der Verbraucher, und wir stellen uns den Fragen unserer Kunden: Was für Technologien bietet KHS, um Verpackungsmaterial zu reduzieren? Was können wir tun, um den Rezyklatanteil in unserer PET-Verpackung zu erhöhen? Und was tun wir, um eine bessere Recyclingfähigkeit zu erzielen?“
Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt des Austausches mit Interseroh. Ziel war es, dieses wichtige Problem im Marktsegment der sauerstoffempfindlichen und barriererelevanten Getränke zu lösen. Gesucht wurde eine Flasche, die zugleich das Produkt optimal schützt und die den PET-Kreislauf schließt, also möglichst umweltschonend ist.
„In mehreren gemeinsamen Workshops haben wir erarbeitet, wie sortiert wird und worauf beim Design einer Verpackung zu achten ist, damit sie bestmöglich recycelt werden kann“, berichtet Langhammer. Verpackungsingenieur Julian Thielen, bei Interseroh als Projektmanager Verpackungsoptimierung tätig, ergänzt: „Gemeinsam mit Designern, Technikern und Vertriebsmitarbeitern haben wir besprochen, wie eine ökologisch optimale Flasche aussehen kann, wie groß das Etikett sein muss und aus welchem Material es besteht. Und wir haben uns angesehen, was entlang der Kette in der Sortierung und Verwertung mit den einzelnen Komponenten passiert.“
Einzigartiger Barriereschutz
Voraussetzung Nummer eins ist der funktionale, wirkungsvolle Barriereschutz ohne negativen Effekt auf die Recyclingfähigkeit. Derzeit die einzige marktgängige Lösung für dieses scheinbare Dilemma ist die von KHS entwickelte Technologie FreshSafe-PET®. Langhammer beschreibt deren Prinzip: „Eine hauchdünne Beschichtung aus Siliziumoxid (SiOx) auf der Innenwand der Flasche reduziert die Permeation von Gasen in beide Richtungen deutlich. So bleiben Produktqualität, Geschmack, Vitamine und Produktfarbe bis zu zehnmal länger erhalten als bei einem herkömmlichen PET-Behälter.“ Weil die SiOx-Beschichtung im Recyclingprozess durch die ohnehin eingesetzte Lauge einfach abgewaschen wird, entsteht sortenreines, vollständig wiederverwertbares PET, das im Flasche-zu-Flasche-Recycling eingesetzt werden kann.
Da der Barriereschutz sich auch für Behälter eignet, die aus Rezyklat hergestellt werden, war schnell klar, dass die „Beyond Juice“-Flasche zu 100 Prozent aus wiederverwendetem PET bestehen musste.
»Wir wollten einen Behälter entwickeln, der unabhängig vom Produktschutz den geringstmöglichen Einfluss auf die Umwelt hat.«
Product Manager Bottles & Shapes™ bei KHS Corpoplast
Ein weiterer limitierender Faktor ist, dass die Nachfrage nach PET-Rezyklat das Angebot übersteigt. In manchen Ländern fehlen Sammel- und Sortiersysteme und auch die erforderlichen Zulassungen, etwa um Rezyklat für die Verpackung von Lebensmitteln einzusetzen, das zuvor für andere Zwecke genutzt wurde. Für Thielen ist das ein klares Argument für produktbezogene Sammelsysteme: „Sie machen den lebensmitteltauglichen Einsatz von Rezyklaten überhaupt möglich, weil sie klar beschreiben, dass eine Flasche den Kreislauf nie verlassen hat. Das Risiko einer Kontamination ist entsprechend gering.“ Auch dafür bietet FreshSafe-PET® eine Lösung, ergänzt Langhammer: „Unsere Beschichtung ermöglicht es sogar, im Lebensmittelbereich unter definierten Umständen Rezyklat zu verwenden, das vorher im Non-Food-Segment genutzt wurde.“
Große Aufmerksamkeit widmete das „Beyond Juice“-Team auch dem Flaschenetikett: „Entscheidend ist die Größe“, beschreibt Langhammer. „Es darf die Flasche nicht komplett umhüllen, weil der NIR-Scanner diese im Sortierungsprozess sonst nicht als nutzbare PET-Flasche erkennt.“ Die Obergrenze für eine sehr gut sortier- und damit auch recycelbare Verpackung liegt nach dem Bewertungsprinzip von Interseroh bei 25 Prozent der gesamten Flaschenoberfläche. Dafür, dass trotz des vergleichsweise kleinen Etikettenformats alle Marketinganforderungen an eine möglichst emotionale Konsumentenansprache erfüllt werden, haben die Bottles & Shapes™-Experten eine Lösung gefunden: Sie haben den Behälter mit einer ansprechenden und umlaufenden Oberflächenstruktur – einem sogenannten Embossing – versehen. Mit dieser reliefartigen Prägung wird die „Beyond Juice“-Flasche auch im Regal ein echter Hingucker sein.
Siegel auf wissenschaftlicher Basis
Das „Made for Recycling“-Siegel wurde 2018 von dem Umweltspezialisten Interseroh, Tochter der europaweit und in China tätigen ALBA Group, entwickelt. Es zeigt dem Verbraucher, dass eine Produktverpackung für den Wertstoffkreislauf optimiert wurde. Die Kriterien des Siegels wurden in Zusammenarbeit mit dem bifa Umweltinstitut festgelegt. Die wissenschaftliche Methodik wurde durch das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising bestätigt. Bei der Analyse können im Höchstfall 20 Punkte erreicht werden – das Siegel erhält nur, wessen Verpackung mit 18 Punkten oder mehr bewertet wurde. Den ersten Kontakt mit dem Siegel haben Verbraucher seit Anfang 2019: Im Februar wurde es erstmals an die Bio-Zentrale Naturprodukte GmbH verliehen. Sie ist ein Bio-Lebensmittelunternehmen, das die Verpackungen seines gesamten Sortiments sukzessive überprüft, optimiert und mit dem Siegel versehen lassen will.
Recycelbares Etikett
Neben der Größe des Etiketts gibt es weitere Kriterien, die zu beachten sind. Beispielweise ist die Auswahl des richtigen Klebstoffs wichtig, damit das Etikett sich im Recycling vom Kunststoff trennen lässt und es im Waschprozess nicht zu einer unbeabsichtigten Verunreinigung kommt. Nur wenn er sich in alkalischen Lösungen bei einer Temperatur von 60 bis 80 Grad vollständig ablösen lässt, liegt schließlich sortenreines PET vor. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Idee, auf ein Etikett möglicherweise ganz zu verzichten. „Die Markenbotschaften und Informationen direkt auf die Flasche zu drucken setzt jedoch voraus, dass die eingesetzten Druckfarben für den Recyclingprozess geeignet sind“, erklärt Langhammer. Auch die Verschlusskappe beanspruchte die spezielle Aufmerksamkeit des Expertenteams: Zukünftig soll sie nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers so an der PET-Flasche befestigt sein, dass sie sich nach dem Öffnen nicht ablösen lässt – ähnlich wie bei vielen Energydrinks. Damit soll erreicht werden, dass auch die Flaschenverschlüsse dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden.
Im Bemühen um den geringstmöglichen ökologischen Footprint hat man bei KHS aber auch über die eigentliche Flasche hinausgedacht. Und so kam für „Beyond Juice“ außer dem recyclingfähigen Barriereschutz, der Verwendung von 100 Prozent Rezyklat sowie einem möglichst kleinen und mit dem richtigen Klebstoff versehen Etikett als vierter Pluspunkt noch das Nature MultiPack™ zum Einsatz. Durch eine stabile, aber einfach zu lösende Verbindung von mehreren Flaschen durch Klebepunkte macht es eine weitere Sekundärverpackung aus Schrumpffolie ganz überflüssig – eine im Markt bereits erfolgreich eingeführte KHS-Innovation.
Nachdem im vergangenen Sommer die ersten Flaschen produziert waren, gingen sie zur Prüfung an Interseroh. „Um zu bestätigen, dass wirklich keine anderen Barrieren verwendet wurden, haben wir das Material im Labor mit verschiedensten Testmethoden geprüft und verglichen“, berichtet Recyclingexperte Thielen. Wie bei der Analyse üblich, wurden auch die KHS-Muster der „Beyond Juice“-Flasche wieder und wieder über ein Sortierförderband durch den Scanner geschickt, um sicherzustellen, dass sie richtig sortiert werden. Die abschließend ermittelte Punktzahl liegt bei vollen 20 von 20 Punkten – ein absolutes Novum im Segment der PET-Flaschen mit Barriereanforderungen. Das Siegel „Made for Recycling“ bescheinigt jetzt, dass KHS sein eingangs gestecktes anspruchsvolles Ziel erreicht hat: Es ist gelungen, einen Behälter zu entwickeln, der möglichst Ressourcen schonend ist und zugleich wirksamen Barriereschutz bietet.
Viel gelernt
Am Ende des gemeinsamen Entwicklungsprojektes sind alle vom Ergebnis überzeugt. Arne Wiese resümiert: „Wir haben viel über die Recyclingfähigkeit gelernt – nicht nur hinsichtlich Getränke- oder Lebensmittelverpackungen, sondern auch über das Einsammeln des Materials, das Lagern und die Herausforderungen in den Aufbereitungsprozessen für alle Verpackungen.“ Sein Kollege Philipp Langhammer blickt nach vorne: „Wir präsentieren diese Flasche jetzt auf unseren Leitmessen und möchten damit das heute Machbare zeigen. Dadurch wollen wir den Anstoß geben, dass der Verbraucher sich für eine nachhaltige Verpackung entscheiden kann, ohne auf einen herausragenden Produktschutz zu verzichten. Es gilt zu schauen, wie erst der Markt sie aufnimmt, und wie später die Endverbraucher das Siegel akzeptieren. Ich bin überzeugt, dass Konsumenten auf der Suche nach wissenschaftlich fundierten Gütezeichen sind, die einen echten Mehrwert liefern.“ Julian Thielen ist sich sicher, dass das Siegel auch bei Getränkeherstellern ein Erfolg wird: „Mittelfristig wird sich bei Verpackungen das Kriterium Recyclingfähigkeit als gleichwertig neben den Aspekten Produktschutz, Convenience und Attraktivität etablieren – auch auf internationaler Ebene.“
Für alle sensitiven Getränke und Lebensmittel, die in PET Flaschen abgefüllt werden, gibt es damit ab sofort eine Möglichkeit diese nachhaltig einem Recyclingprozess zuzuführen und das Material für die gleiche Anwendung wiederzuverwenden. Es gibt also tatsächlich keinen Grund, auf einen perfekt auf die Anforderungen des Recyclings abgestimmten Behälter bis 2030 zu warten. Im Gegenteil: Bis dahin darf man sich auf viele weitere Entwicklungen von Bottles & Shapes™ freuen.