Mit Leidenschaft
Projekt- und Kundenorientierung werden im After Sales & Service in Zinacantepec ebenso großgeschrieben wie der Blick über den eigenen Tellerrand. Kein Wunder, dass das Ausbildungsangebot in diesem Geschäft zunehmend wichtiger wird.
Als Michael Steggemann vor sechs Jahren bei KHS die Verantwortung für den Bereich After Sales & Service für Mexiko, Zentralamerika und die Karibik übernahm, war das Team noch sehr starr strukturiert. „Außer einem Servicemanager gab es damals nur 15 Servicetechniker“, erinnert er sich. „Und die standen vor der Herausforderung, sich im Prinzip mit allen KHS-Maschinen und allen Kunden auskennen zu müssen. Das war kaum zu leisten.“ Steggemanns erste Maßnahme war es, eine Matrix-Organisation einzurichten, die sowohl eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit als auch eine stärkere Projektorientierung ermöglichen sollte. Das erfordert einen intensiveren Austausch zwischen Service- und Projektmanagement, Produktion und Vertrieb auf einer gemeinsamen Kommunikationsbasis. So werden Synergien geschaffen und Prozesse effizienter gestaltet.
Maximale Kundenorientierung
Der wichtigste Schritt zu noch mehr Kundenorientierung war die Schaffung von fünf sogenannten Area Inspectors, welche die riesige Region dynamisch unter sich aufteilten. Das zentrale Entscheidungskriterium war, dass jeder Kunde binnen zwei Stunden physisch zu erreichen sein sollte – angesichts der Infrastruktur und der gewaltigen Ausdehnung alleine von Mexiko ein durchaus ambitionierter Vorsatz. „Mit der neuen Rolle haben wir den Kundenkontakt deutlich verbessert“, erklärt Steggemann. „Die Area Inspectors kennen ihre Ansprechpartner, deren Potenzial und die Anforderungen ganz genau. Für unsere Kunden ist es wichtig, dass wir nicht nur einzelne Maschinen reparieren. Davon alleine können sie häufig nicht wieder produzieren. Unser Serviceteam hat die ganze Linie im Blick und kann Komplettlösungen anbieten, die einen Produktionsstillstand ganz vermeiden oder auf ein Minimum reduzieren.“
»Wir analysieren laufend die Ausstattung vor Ort und evaluieren deren Effizienz und Qualität.«
Area Inspector, KHS Mexico
Einer der Area Inspectors ist Alberto Sanchez. Seit zwölf Jahren verstärkt der 50-Jährige das KHS-Team in Zinacantepec und ist heute zuständig für den Norden Mexikos. Er macht rund 100 Besuche pro Jahr und fliegt dafür Strecken von bis zu 4.000 Kilometern. „Unsere Kunden wissen, dass wir partnerschaftlich mit ihnen an Lösungen für ihre Abfülllinien arbeiten“, erzählt er. „Und diese sind so vielfältig wie die Installed Base vor Ort.“ Sanchez weiß, wovon er spricht: Von insgesamt rund 950 in Mexiko laufenden Maschinen ist ein knappes Drittel älter als 25 Jahre. Diese benötigen zwar relativ viele Ersatzteile, aber mit steigendem Alter wächst – trotz der fast schon legendär zu nennenden langen Lebensdauer von KHS-Maschinen – das Risiko, dass ein Veteran ausfällt und eine Ersatzinvestition erforderlich wird.
Zu Sanchez’ Aufgaben gehört hier neben der Sicherung eines reibungslosen Betriebs bei seinen Kunden auch die regelmäßige Rückkoppelung mit dem KHS-Vertrieb. Zur ursprünglichen reinen Kommunikations- und Erfassungsfunktion des Area Inspectors ist im Zuge wachsender Projektorientierung inzwischen auch eine Umsatzverantwortung, also eine Servicemanagerfunktion hinzugekommen. In regelmäßigen Intervallen gibt es Review Meetings, in denen die Zahlen aus den einzelnen Regionen zum Beispiel im Rahmen einer White-Spot-Analyse genau untersucht werden: „Auf Basis dieser Erkenntnisse planen wir unsere Aktivitäten und machen unseren Partnern bedarfsorientierte Angebote“, fasst Alberto Sanchez den Ablauf zusammen.
Umbauten im Fokus
Das Servicegeschäft in Mexiko und der Region geht weit über bloße Ersatzteillieferungen und Reparaturen hinaus. Angesichts der Zusammensetzung der Installed Base spielen auch Umbauten eine große Rolle. Da kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein alter Glasfüller auf PET umgerüstet wird. Ein anderes Beispiel ist etwa der kürzlich erfolgte Austausch von Füllventilen und Rückluftrohren in einer von Coca-Cola genutzten Anlage. „Das war nicht das erste Upgrade, das wir mit dem Kunden vorgenommen haben“, berichtet Sanchez. „Wir analysieren laufend die Ausstattung vor Ort und identifizieren auf der Basis von Maschinenzustand und Leistungswerten wie Effizienz und Qualität, welche Teile verbessert oder ausgetauscht werden müssen.“ Mit den neuen Ventilen produziert Coca-Cola heute mit einer um 25 Prozent höheren Abfüllgeschwindigkeit.
Die Situation in der Region ist gekennzeichnet von einem rasanten Umbruch. „Die Getränkebranche entwickelt sich hier vom lokal orientierten Markt mit vielen, auch sehr großen Familienbetrieben hin zu einem multinationalen Geschäft“, stellt Michael Steggemann fest. „Ersatzteil- und Serviceverträge mit globalen Konzernen und Key Accounts laufen heute über die KHS-Zentrale in Dortmund. Während das klassische Servicegeschäft rückläufig ist, können wir zunehmend mit Kundentrainings und -Coachings punkten.“ Zuständig für diesen Bereich ist Servicemanagerin Lourdes Sanchez. Sie ist seit neun Jahren bei KHS im Service tätig und koordiniert alle Einsätze des 35 Mann starken Technikerteams. Ein aktuelles Beispiel für ein größeres Schulungsprojekt ist der neue Heineken-Standort in Meoqui. „Zuerst haben wir Techniker mit der erforderlichen Spezialisierung, Erfahrung und entsprechenden Sprachkenntnissen ausgesucht“, erklärt Sanchez. Die vier ausgewählten Techniker wurden in Mexiko zunächst theoretisch geschult, bevor sie weltweit Tandem-Trainings absolviert und den KHS-Zertifizierungsprozess abgeschlossen haben.
Mit Schulungen erfolgreich
Was normalerweise rund ein Jahr in Anspruch nimmt, erfolgte hier innerhalb von sieben Monaten. „Das erforderte natürlich eine gewisse Anstrengung, die Verfügbarkeit unserer Techniker zu steuern“, erinnert sich die Servicemanagerin. „Geholfen hat natürlich auch die Unterstützung unserer Kollegen aus der Schulungsabteilung.“ Das Ergebnis der Bemühungen sind vier zertifizierte und auf die Bereiche Verpackung, Transport, Abfüllung und Pasteurisierung spezialisierte Neumaschinentrainer, die nicht nur Kundentechniker schulen, sondern auch KHS-Servicetechniker in ganz Lateinamerika weiterbilden.
»Geholfen hat natürlich die Unterstützung unserer Kollegen aus der Schulungsabteilung.«
Servicemanagerin, KHS Mexico
Dass der Trainingsbereich ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell ist, macht Steggemann anhand einer einfachen Rechnung deutlich: „Wenn ein Getränkekonzern, der 350 Servicetechniker mit relativ hohem Schulungsbedarf beschäftigt, eine nur zehnprozentige Fluktuation aufweist, müssen jährlich 35 Techniker neu geschult werden.“
Aber auch intern wird das Thema Ausbildung in Mexiko großgeschrieben: Im Rahmen eines intensiven Managementtrainings für alle Mitarbeiter der Organisation wurden seit 2016 Kenntnisse in Projekt- und Ersatzteilmanagement sowie in Konstruktion vermittelt – teilweise durch die gezielte Simulation von praxisnahen Aufgaben. Unter den Aspekten der Projektorientierung und Kundenzufriedenheit erfolgt seit 2018 auch ein Linienoptimierungstraining, um den Blick der Mitarbeiter für ganzheitliche Lösungen zu schärfen. Angesichts dieser Investitionen in sein Team ist Steggemann froh, dass die Fluktuation bei KHS in Mexiko sehr niedrig ist. „Wir nehmen uns viel Zeit dafür, die richtigen Leute auszuwählen und in allen relevanten Bereichen auszubilden und zu fördern. Gleichzeitig legen wir größten Wert darauf, dass unsere Mitarbeiter bei uns Aufgaben haben, die für sie wichtig sind und ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechen. Denn schließlich sind nur zufriedene Mitarbeiter auch loyale Mitarbeiter.“ Umgekehrt spielt für Bewerber im traditionell sehr familienorientierten Mexiko die Sicherheit des Arbeitsplatzes eine mindestens ebenso große Rolle wie die Perspektive, die ein internationales Unternehmen bietet – zwei Anforderungen, die KHS hier in besonderer Weise erfüllen kann.