Kleine Gläser - Große Wirkung
Jedes Jahr treffen sich in Denver Craftbeer-Brauer und deren Fans aus den gesamten Vereinigten Staaten, um sich gegenseitig zu feiern. Dabei fließt drei Tage lang reichlich Neues und Bewährtes in die kleinen Probiergläser der rund 60.000 Besucher.
Ein bisschen fühlt man sich wie in einem Bienenstock, wenn man die riesige Halle im ersten Obergeschoss des Colorado Convention Center betritt. Hier findet das Great American Beer Festival (GABF) statt, und es wimmelt von tausenden von Menschen, die ein Ziel vereint: Sie alle wollen verkosten, was Brauereien aus jedem der 50 Staaten der USA an mehr und weniger ausgefallenen Bieren anzubieten haben. Mit der Eintrittskarte für eine der vierstündigen Sampling Sessions erwirbt man ein kleines Glas, in das die Brauer jeweils eine Unze Bier einschenken – so ist es jedenfalls gedacht, aber das nimmt hier niemand ganz genau. Voller Vorfreude auf ihren Probeschluck reihen sich die Craftbeer-Liebhaber vor den Ständen zu mitunter langen Schlangen auf und kommen schnell ins Fachsimpeln. Entsprechend enorm ist das Stimmengewirr – je länger die Session läuft, desto lauter.
Festival mit Tradition
Seit inzwischen 38 Jahren gibt es das GABF. Gegründet hat es Charlie Papazian, der in den USA als Vater des Homebrewing gilt und von der weltweiten Craftbeer-Szene als Pionier verehrt wird. Mit seinem mehr als 1,3 Millionen Mal verkauften Buch ‚The Complete Joy of Homebrewing‘ hat Papazian den Blick auf Bier für immer verändert und das Wissen um die Zutaten und Zubereitung des Getränks einem breiten Publikum zugänglich gemacht. „Als wir 1982 in einem kleinen Hotel in Boulder, Colorado, das erste Festival veranstalteten, haben sich 22 Brauereien beteiligt. Vielfalt, Auswahl - das hatte es bei uns bis in die Siebzigerjahre nicht gegeben. Viele Menschen wussten nicht einmal, was Hopfen oder Hefe sind, und tranken nur das Bier, das sie aus der Fernsehwerbung kannten.“, erinnert er sich. „Seitdem hat sich die Bierwelt radikal verändert: Heute interessieren sich immer mehr Biertrinker für das, was in ihrem Lieblingsgetränk steckt, und wollen sich darüber austauschen. Sie genießen die Bandbreite des Angebotes.“ 800 Brauer sind es, die inzwischen beim GABF ausstellen, und heute locken ihre Kreationen an drei Tagen mehr als 60.000 durstige Männer und Frauen nach Denver.
Samstagmittags um 12 Uhr startet die den Mitgliedern der Brewers Association und besonderen Gästen vorbehaltene ‚Members only‘-Session. Wir sind mit Logan Wiley verabredet, der eigens aus Wyoming angereist ist. Sein Interesse am Festival ist nicht ausschließlich privater Natur, denn als Regional Service Manager von KHS trifft der 31-Jährige hier zahlreiche ‚alte Bekannte‘, die ihre Produkte auf den Anlagen des Dortmunder Systemanbieters und seiner amerikanischen Tochtergesellschaft abfüllen und verpacken. Angefangen hat er vor vier Jahren als Techniker mit der Installation von Füllern. Inzwischen ist er im Service der erste Ansprechpartner an der Westküste der USA, wenn es um technische Fragen oder Ersatzteile geht. Und obwohl seine Kunden sich nicht auf Brauereien beschränken, sondern auch die multinationalen Softdrinkhersteller einschließen, ist er ein leidenschaftlicher Craftbeer-Fan und ausgewiesener Kenner der Branche.
Im Mainstream angekommen
„Die Zahl der Brauereien in den USA ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert - selbst in den bevölkerungsärmeren Regionen“, erklärt er. Gleichzeitig beobachtet man einen Umbruch: „Craft Beer war lange eine Art Rebellion gegen die leichten amerikanischen Lager-Biere der großen industriellen Brauereien. Neben den hopfen- oder malzbetonten Varietäten entstanden fassgereifte Sorten, Milk Stouts und Fruchtbiere, die sich durch eine große Vielzahl an Aromen auszeichneten. Heute gibt es angesichts des wachsenden Gesundheitsbewusstseins eine zunehmende Nachfrage nach leichteren Bieren, von denen nicht nur mehr getrunken werden kann, sondern die sich besonders gut für Biermischgetränke eignen. Auch in diesem Segment wollen die Craft Brauer natürlich ihrem Ruf als Geschmackspioniere gerecht werden – und produzieren dafür ungewöhnliche und hocharomatische Kölsch- oder Lagertypen.“ Teilweise öffnen sie aktuell ihre Sortimente auch für Produkte jenseits von Bier, berichtet er. Das reiche von Limonaden über fermentierte Tees bis hin zu Getränken, die mit CBD versetzt werden, dem nicht psychoaktiven Wirkstoff der Cannabisblüte, der im Wellnessbereich gerade hoch im Kurs steht.
Zunehmend voller wird es in der Halle, in der aus verschiedenen Ecken immer wieder Applaus aufbrandet – warum, erfahren wir erst etwas später. Am Stand von Two Roads, einer Brauerei aus Connecticut, testen wir einen Schluck ‚Road 2 Ruin‘, ein stark gehopftes IPA mit acht Prozent Volumenalkohol und erfahren von Wiley, dass die Brauerei dieses auf Dosenfüllern von KHS abfüllt.
»Immer mehr Biertrinker interessieren sich dafür, was in ihrem Getränk steckt, und wollen sich darüber austauschen.«
1982 gründete Charlie Papazian, der „Vater“ von Homebrewing und Craft Beer, das Festival – beim ersten Mal beschränkt auf 22 Aussteller.
Zweifach ausgezeichnet
Ein wichtiger Teil des Festivals ist der GABF-Wettbewerb, bei dem rund 8.000 Biere in sagenhaften 107 Kategorien während der gesamten drei Festivaltage um die Gunst prominenter Juroren aus 13 Ländern buhlen. Bei unserer nächsten Station, der Altstadt Brewery, freut man sich über zwei Goldmedaillen, mit denen am Vormittag ein Lager und ein Kölsch ausgezeichnet wurden. Während wir uns mit dem Kölsch zuprosten, berichtet Wiley, dass Altstadt im texanischen Fredericksburg sitzt. Der Ort ist eine regelrechte deutsche Kolonie, seitdem sich dort Mitte des 19. Jahrhunderts Siedler aus dem Westerwald niederließen, die vor der Unterdrückung in Deutschland vor und nach der Revolution von 1848 flohen. Nur zwei Wochen nach unserem Besuch des GABF wird die Brauerei ihren ersten kleinen Dosenfüller von KHS in Betrieb nehmen. „Wir möchten den Brauereien dabei helfen, sich zu entwickeln und zu wachsen“, beschreibt Wiley die Philosophie von KHS im Umgang mit der Craftbeer-Szene. „Deshalb legen wir Wert darauf, dass sie schon früh wissen, wer wir sind und was wir etwa an Prozesstechnik, Füllern und Etikettierern zu bieten haben. Wenn der Bedarf dann entsteht, sind wir oft schon im partnerschaftlichen Austausch.“
Weiter geht es durch das dichte Gedränge: Zahlreiche Besucher haben sich dem Thema entsprechend kostümiert; Originelles und Witziges wechselt sich hier mit Folkloristischem ab, man lässt sich bereitwillig fotografieren. Viele tragen lange Halsketten, die reich mit Salzbrezeln bestückt sind, wohl für den Fall, dass sie vor lauter Bier vom Hunger übermannt werden.
»Wir helfen den Brauereien sich zu entwickeln und zu wachsen, indem wir uns frühzeitig mit ihnen austauschen.«
KHS Regional Service Manager, führt mit viel Expertenwissen und ansteckender Leidenschaft von Aussteller zu Aussteller.
Nitro ist der Renner
Die nächste Station ist Left Hand Brewing aus Longmont, Colorado, die hier quasi ein Heimspiel haben. Logan Wiley bringt uns mit Braumeister Hank Myers ins Gespräch. „Unser großes Ding ist aktuell das Thema Nitro“, erklärt Myers. „Wie Guinness nutzen wir Stickstoff, um eine besonders sahnige, feste Schaumkrone zu erzielen – zum Beispiel in unserem Milk Stout Nitro, einem echten Bestseller.“ Stickstoff spielt auch in einem anderen großen Projekt von Left Hand eine Rolle: Hier werden Biere im Stil klassischer Cocktails gebraut. Ein Beispiel, das wir im Probierglas sehr überzeugend finden, ist das White Russian Nitro mit Kaffee-, Vanille- und Schokoladenaromen. „Ein Bier mit dieser Cremigkeit zu schaffen, erfordert einen Riesenaufwand“, räumt Myers ein. „Das eigentliche Geheimnis ist aber der Trial-and-Error-Prozess – und dass wir uns die Zeit dafür nehmen.“ Vom Ergebnis dieses Experimentierens ist auch die Brauerei selbst begeistert: Für 2020 stellt Myers ein Piña-colada-Bier in Aussicht – darauf dürfen wir gespannt sein.
Am Ende unserer Session erfahren wir auch, dass der Applaus nicht etwa irgendwelchen Darbietungen oder Auftritten gilt, sondern immer dann gespendet wird, wenn einer der Besucher sein Glas zu Boden fallen lässt und es dort zu Bruch geht – nach dem Motto: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Wie groß der Schaden ist, weiß Logan Wiley, der gemeinsam mit seiner Freundin auch die Abschluss-Session am Abend noch besuchen wird: Weil keiner der Brauer sein Bier wieder mit nach Hause nehmen möchte, wird dann erst recht großzügig ausgeschenkt.
https://www.greatamericanbeerfestival.com/