Quo vadis Umverpackung?
Der Kampf gegen Verpackungsmüll wird in der Getränkeindustrie an vielen Fronten geführt – von den Herstellern von Verpackungsmaterialien bis hin zum Abfüller. KHS wirkt hier bei der Entwicklung neuer Standards mit, von denen Getränkehersteller und Konsumenten gleichermaßen profitieren.
Der Weg zu immer nachhaltigeren Primär- und Sekundärverpackungen folgt zwei großen Marschrichtungen: Recyceln und reduzieren. Zum einen geht es dabei darum, das Verpackungsmaterial ständig in Umlauf zu halten, indem man es zurückgewinnt, aufbereitet und immer wieder verwertet. Zum anderen wird auf vielfältige Weise daran gearbeitet, immer weniger Verpackungsmaterial einzusetzen, um Rohstoffe zu schonen und Müll zu vermeiden. „Die größte Herausforderung für uns ist die Verarbeitbarkeit der Verpackungsmaterialien“, betont Karl-Heinz Klumpe, Product Manager Packaging bei KHS in Kleve. Was er damit meint, erklärt er anhand eines Beispiels: „Schrumpffolie aus recyceltem Kunststoff zeigt ein ganz anderes Schrumpfverhalten als Folie aus Neumaterial. Darauf können wir als Maschinenbauer nicht alleine eine Antwort geben, sondern müssen uns eng mit den Folienherstellern abstimmen.“
Zu diesem Zweck veranstaltet KHS dieses Jahr Workshops. Dabei soll ausgelotet werden, wie der Recyclatanteil der Folien – wie beispielsweise in Deutschland durch das neue Verpackungsgesetz vorgeschrieben – erhöht werden kann. „Ihr verändert etwas an der Chemie oder Rezeptur eurer Folien, wir passen die Luftströmung oder die Temperatur entsprechend an“, fasst Klumpe etwas salopp zusammen, welche Themen dabei im Vordergrund stehen. „Grundbedingung ist natürlich ein qualitativer Standard, der von den Marketingverantwortlichen der großen Abfüller akzeptiert wird. Bei Folien aus 100 Prozent Rezyklat ist das Schrumpfergebnis noch nicht zufriedenstellend. Hier müssen wir gemeinsam noch etwas unternehmen, um den Spagat zwischen Recyclinganforderungen einerseits und dem Ruf nach einer immer höherwertigen Qualität der Gebinde andererseits zu bewältigen.“
Eine andere Richtung, in die sich die Folienhersteller bewegen, ist die Reduzierung der Folienstärke. „Das Material wird immer dünner“, weiß Klumpe. „Um die gleiche Stabilität bieten zu können, müssen die Werkstoffe immer komplexer werden. Für den Einsatz bei Getränkeverpackungen hat das Grenzen: Unter einer Stärke von 35 µm kann der Kilopreis für die Folie wieder ansteigen. Und das wollen weder der Abfüller noch dessen Kunde letztendlich bezahlen.“
»Wir beteiligen uns an der Entwicklung neuer Standards für nachhaltige Verpackungen.«
Product Manager Packaging bei KHS in Kleve
Ökonomie im Fokus
Überhaupt stellt Klumpe fest, dass dem Streben nach Nachhaltigkeit häufig eher ökonomische als ökologische Aspekte zugrunde gelegt werden: „Alles, was wir hinsichtlich der Reduzierung des Materialeinsatzes unternehmen, ist in erster Linie wirtschaftlich motiviert und dient dazu, die Kosten des Abfüllers zu senken. Oder – wenn es um das Recycling geht – müssen die Folienhersteller sich natürlich weiterentwickeln und anpassen, damit ihr Geschäftsmodell auch angesichts strengerer gesetzlicher Vorgaben Bestand hat.“
Was für Kunststoff gilt, davon sind auch Kartonagen nicht ausgenommen – primär bei der Reduzierung des eingesetzten Materials. Bei der Herstellung von Wellpappen experimentieren Papierfabriken sowohl mit dünneren Decklagen als auch mit weniger hohen Wellen. „Deren Stabilität und Haltbarkeit sind zwar in Ordnung“, versichert Klumpe. „Wir müssen aber die Frage beantworten, inwieweit diese Materialien noch maschinengängig sind. Was passiert, wenn die Pappen Feuchtigkeit aufnehmen? Wenn die Kartonage außen dicker ist als innen, biegt sie sich ähnlich wie ein Bimetall und ist auf den Maschinen nur noch mit Einschränkungen oder gar nicht mehr zu verarbeiten. Wie können wir da gegensteuern?“
In puncto Recycling erfährt das Thema Pappe zwar weniger Aufmerksamkeit als Kunststoff. Aber auch hier dreht sich vieles um die Wiederverwendbarkeit der Rohstoffe, zum Beispiel bei der Frage, inwieweit die Bedruckung möglicherweise die Recycelfähigkeit des Papiers beeinträchtigt.
Auch KHS selbst macht Versuche mit neuen Verpackungsmaterialien. Kürzlich etwa stellte sich ein Hersteller aus Schweden vor, dessen neu entwickelte Pappe mit einem Preis ausgezeichnet worden war und der nun auf der Suche nach Mitstreitern für den Markteintritt war. „Unser wichtigster Anspruch ist, dass wir sicher sein müssen, dass wir die Pappe problemlos verarbeiten können“, unterstreicht Klumpe.
Die Funktionsweise eines Displaypacker von der Produktzufuhr bis zur Palettierung veranschaulicht eine 3D-Animation.
Ständiger Prozess
Im permanenten Gespräch sei man in Kleve auch mit den Herstellern von Klebstoffen und Klebstoffauftragssystemen. „Dabei erörtern wir zum Beispiel, wie wir es schaffen, dass der Leim nicht mehr so stark erhitzt werden muss, oder wie wir den Leimverbrauch senken können“, zählt Klumpe auf. „Inzwischen bringen wir immer kleinere Klebepunkte auf statt der früher üblichen Rauten.“ Insgesamt sei nachhaltige Produktinnovation ein ständiger Prozess, den KHS sowohl mit seinen bewährten als auch mit neuen Partnern beschreite. Im Fokus stehe dabei immer die Fragestellung, welche Ansätze es gebe, um rund um die Maschinen Material, Zeit und Energie einzusparen.
Ein Beispiel etwa für Energieeinsparung ist der Schrumpftunnel mit gasbetriebenen Porenbrennern. Für die Erhitzung der Luft wählt KHS nicht den Umweg über den Energieträger Strom, sondern arbeitet direkt mit Gas, um den Energieverlust beim Transport vom Erzeuger zum Verbraucher zu vermeiden. Dadurch fallen bis zu 50 Prozent weniger Energiekosten an, und die CO2-Emissionen reduzieren sich sogar um bis zu 60 Prozent.
Auch an vielen anderen Stellen hat KHS in den letzten Jahren mit ressourcensparenden Verpackungsmaschinen Maßstäbe gesetzt: Sowohl FullyEnclosed Packs als auch Nested und Shifted Packs haben stabilisierende Kartonplatten oder Trays ganz überflüssig gemacht. „Hier brauchen wir gar keine Pappe mehr“, freut sich Klumpe. „Die stramme Wicklung sorgt für ein vernünftiges Schrumpfbild und für ein stabiles Gebinde.“ Umgekehrt wurde der DisplayPacker entwickelt, mit dem Großgebinde auf Karton-Trays gestellt werden und keinerlei Stabilisierung durch Folie benötigen.
Herausragendes Beispiel für die Materialreduktion aber ist das Nature MultiPack™. Es wurde 2018 durch die Carlsberg Gruppe unter dem Namen „Snap Pack“ als Sechserpack für Dosen in den Markt eingeführt. Dank weniger Klebepunkte aus einem eigens entwickelten Klebstoff, die die Behälter zusammenhalten, sowie einem stabilisierenden Tragegriff entfällt weiteres Verpackungsmaterial komplett. Wenn die neue Gebindeform vollständig ausgerollt ist, wird Carlsberg durch den völligen Verzicht auf Schrumpffolie bei Dosen eine Kunststoffeinsparung von bis zu 76 Prozent erzielen – jährlich über 1.200 Tonnen. Bereits 2016 nutzte Danone Waters das Nature MultiPack™ erfolgreich bei der Markteinführung seiner sogenannten „Prestige“-PET-Flasche für Evian.
„Wir verstehen uns bei der Entwicklung nachhaltiger Verpackungen als eine Schnittstelle zwischen allen Beteiligten und der Getränkeindustrie“, resümiert Klumpe. „Wir beteiligen uns an der Entwicklung neuer Standards, die ökologische Forderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Interessen der Abfüller in Einklang bringen.“ Eine Herausforderung, die manchmal einer Quadratur des Kreises gleicht.