Häufig wird im Zusammenhang mit Getränkeverpackungen von der Ökobilanz gesprochen, wenn diskutiert wird, welches Verpackungsmaterial die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt hat – und welches die höchsten. Als Synonym wird der englische Begriff Life Cycle Assessment (LCA) verwendet, was im Deutschen etwa Lebenszyklusbewertung heißt. Schon die Übersetzung macht deutlich, wie komplex das Thema ist: Definitionsgemäß schließt eine Ökobilanz die gesamte Wertschöpfungskette „von der Wiege bis zur Bahre“ ein – also von der Rohstoffentnahme über die Fertigung und Nutzung bis hin zur Entsorgung des Produktes und der Produktionsabfälle. Geregelt wird das durch die ISO 14044, sodass man meinen könnte, alle Beteiligten sprechen vom Gleichen, wenn sie die Ökobilanz ins Feld führen, um Produkte zu vergleichen. Das dem nicht so ist, belegt die Emotionalität der Diskussion, die auch darauf zurückzuführen ist, dass kaum ein Verbraucher alle Aspekte kennt, beziehungsweise überschauen kann.

Beispielhaft für die Vielschichtigkeit des Themas ist eine Studie zur Ökobilanz von Getränkeverpackungen*: Sie kommt bei der Betrachtung der Relevanz der Verpackung zu dem Schluss, dass bei allen Getränken außer Mineralwasser die Herstellung eines Getränkes selbst einen deutlich größeren negativen Effekt auf die Umwelt hat als die Verpackung. Die isolierte Betrachtung der Verpackungen ohne ihren Inhalt greift also zu kurz. Eine andere Erkenntnis betrifft den privaten Einkaufstransport: Er verursacht meist eine deutlich höhere Umweltbelastung als die eingekauften Getränkeverpackungen. Wer also die Umwelt schonen möchte, tut das am effektivsten, indem er beim Einkauf auf das Auto verzichtet.

* Carbotech im Auftrag des Bundesamts für Umwelt Schweiz (BAFU), Juli 2014

»Alles Verpackungs­material muss in einem geschlossenen Kreislauf zirkulieren – egal, ob Papier, Karton oder Plastik.«

Karl-Heinz Klumpe
Product Manager Packaging, KHS

Beispiel Salatgurke

Dass es jenseits der Norm viel Verwirrung hinsichtlich der Betrachtungsgrenzen gibt, weiß auch Karl-Heinz Klumpe, Product Manager Packaging bei KHS in ­Kleve, der als Beispiel einen beliebten Aufreger anführt: die in Folie verpackte Salatgurke im Supermarkt. „Kürzlich habe ich gelesen, das sei klimaneutral“, berichtet er. „Ich konnte das zunächst kaum glauben, aber die Argumentation war, dass die eingeschweißte Gurke deutlich länger frisch bleibt. Deshalb wird sie weniger häufig weggeworfen. Das bedeutet, dass weniger Gurken angebaut werden müssen, was weniger Emissionen verursacht. Im Ergebnis ist die Verpackung dann tatsächlich CO2-neutral.“

Interesse größer als Wissen

Bezogen auf die Getränkeindustrie stellt Klumpe fest, dass es kaum verbindliche Standards gibt, welche Aspekte in die Betrachtung einfließen sollen und wo die Grenze gezogen wird. Er hat zwar festgestellt, dass die bisher vor allem emotional geführte Plastik­diskussion zunehmend faktenbasierter und differenzierter wird, aber bis alle Stakeholder auf dem gleichen Stand seien, werde es noch dauern. 92 Prozent der deutschen Verbraucher beispielsweise interessieren sich zwar für Verpackungen, 53 Prozent fühlen sich jedoch nicht oder nicht ausreichend informiert**. Da verwundert es kaum, dass jeder zweite Verbraucher in Deutschland nicht in der Lage ist, Mehrweg- von Einwegflaschen zu unterscheiden***. Als wäre das nicht alles kompliziert genug, tragen auch neue, vermeintlich ‚ökologisch bessere‘ Kunststoffe mehr zur Verwirrung bei, als dass sie zur Lösung der Herausforderungen dienen (siehe Kasten „Alles Bio oder was?“).

** Deutsches Verpackungsinstitut, Juni 2018
*** Umfrage von TNS Emnid im Auftrag des NABU, 2017

Wie kann KHS seine Kunden vor diesem Hintergrund dabei unterstützen, Verpackungen mit möglichst geringer Umweltbelastung zu produzieren? „Das Wichtigste ist die Herstellung eines geschlossenen Kreislaufs – egal, ob es sich dabei um Papier, Karton oder Plastik als Verpackungsmaterial handelt“, betont Klumpe. „Außer dass recycelt wird, wo immer das möglich und sinnvoll ist, muss auch der Energieeinsatz dauerhaft reduziert werden. Dabei müssen wir im Auge behalten, dass auch Recycling Energie erfordert.“ Um Verpackungslösungen zu entwickeln, die immer geringere Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten – ein Bewusstsein, das sich mehr und mehr durchzusetzen beginnt. Im ständigen Austausch mit Folien- und Kartonagenherstellern, Maschinenbauern, Getränkeindustrie und Handel entstehen neue Ideen, wie man die Menge an Verpackungen reduzieren kann. Dazu tragen sowohl die großen, globalen Player als auch kleine und kreative Startups bei. Ein Beispiel dafür ist die Idee, Dosenpacks nicht mehr mit Plastikringen, sondern mit einem Papphalter zusammenzuhalten.

„Grünes“ Plastik

Alles Bio oder was?

Wenn inzwischen von „Bio“-Kunststoffen die Rede ist, sind entweder biobasierte oder ­biologisch abbaubare Werk­stoffe gemeint. Für die biobasierten Kunststoffe – meist PET und PE für den Verpackungsbereich – werden ­landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Zuckerrohr, Mais oder Kartoffeln zu chemischen Grundstoffen verarbeitet und in die Produktion herkömmlicher Kunststoffe eingespeist. Derzeit machen biobasierte ­Kunststoffe weltweit etwa ein Prozent der Gesamtproduktion an Kunststoffen aus. Kritisch ­gesehen werden sie vor allem aufgrund der industriellen Anbaubedingungen ihrer Rohstoffe und weil die hohe Wachstumsrate die Verknappung der ­weltweiten Ackerflächen weiter erhöhen wird.

Biologisch abbaubare Kunst­stoffe, die für ­Abfallbeutel und Lebensmittelverpackungen wie Joghurtbecher ­genutzt werden, können bio-­basiert sein, müssen es aber nicht. Ein ­eigens entwickeltes europäisches Siegel sieht vor, dass der Kunststoff nach zwölf Wochen bei 60 Grad Celsius zu 90 Prozent abgebaut sein muss. In den meisten ­Kompostieranlagen ­verrotteviert der Müll jedoch nur etwa vier Wochen lang – ein ­längerer Zeitraum ist wirtschaftlich nicht ­sinnvoll. Die Folge: Der größte Teil der in Europa ver­wendeten abbaubaren Kunststoffe landet in Müllverbrennungsanlagen.

Fazit: Unter Öko-Aspekten ­verlagern „Bio“-Kunststoffe nur die Problematik und lenken von tatsächlichen Lösungen ab.

Weltweiter Wandel

„Die Diskussion um den Ersatz von Plastikverpackungen wird weltweit mit unterschiedlicher Intensität geführt“, stellt Klumpe fest. „Was in Teilen Europas hohe Priorität hat, spielt in anderen Teilen der Welt eine eher untergeordnete Rolle. Das wird sich in absehbarer Zeit sicher ändern.“ So wie in China, wo sich seit 2018 durch ein faktisches Einfuhrverbot die Menge der Plastikmüllimporte von 600.000 Tonnen pro Monat auf 30.000 Tonnen pro Monat reduzierte. Seit jeher zählt die Optimierung von Verpackungslösungen und damit die Einsparung von Material und Energie zu den Kernkompetenzen von KHS: So beschäftigen sich die Entwickler des Unternehmens im Rahmen des „Green-Line-Konzeptes“ unter anderem mit der Umsetzung folgender Lösungen.

01 – Nature MultiPackTM

Das bewährte Nature MultiPack™ ist eine Lösung, die ganz auf Schrumpffolie verzichtet, indem die Behälter mit Klebepunkten stabil, aber leicht lösbar zusammengefügt werden, sodass nur noch ein Tragegriff erforderlich ist. Das System wird sehr erfolgreich von Carlsberg als ­Snap Pack für Dosen sowie von Evian eingesetzt, zusätzliche Adaptionen in Belgien, Frankreich und in Ozeanien sind in Vorbereitung. Obwohl die Innovation von KHS bereits 2013 erstmals vorgestellt wurde, wird sie in der Branche immer noch als absolute Neuheit betrachtet. „Es erfordert natürlich Überzeugungskraft, unsere Kunden zum Systemwechsel zu bewegen, auch wenn in unserer Diskussion schnell klar wird, dass es aus ökologischer Sicht derzeit keine Alternative zum Nature MultiPack™ gibt“, erklärt Klumpe.

02 – Mikro-Wellpappe

Grundsätzlich lassen sich Wellpappen erheblich besser recyceln als Vollkartonagen, weil sie im Unterschied zu diesen einen deutlich höheren Anteil an Faserstoffen enthalten und leichter sind. Mikro-Wellpappe, bei der die Welle nur rund einen Millimeter hoch ist, erzielt mit ihrem geringeren Gewicht eine gegenüber Vollkartonagen höhere Stabilität und bessere Maschinengängigkeit. Da die Papierkosten nach Gewicht berechnet werden, spart sie auch Geld – und reduziert zusätzlich den Carbon Footprint um bis zu zehn Prozent.

03 – Papiereinschlagmaschine

Ein relativ neues Projekt ist eine Maschine, die Getränkedosen in Papier einschlägt – auch wenn es die ersten Gehversuche schon vor 20 Jahren gab. „Das ist so ­Retro, dass es vielleicht das Zeug zum Trend hat“, findet Klumpe. Diese Form des Packs soll die Schrumpffolie als Transportverpackung für 12er- oder 24er-Gebinde ersetzen. „Gemeinsam mit einem internationalen Getränkehersteller haben wir gerade sehr erfolgreich die ersten Versuche abgeschlossen. Aktuell arbeiten wir daran, auf eine Leistung von bis zu 90.000 Dosen pro Stunde zu kommen.“ Wichtig dabei ist, dass das Papier nicht zu glatt ist – sonst könnten die Packs auf der Palette rutschen. Außerdem gilt es zu prüfen, inwieweit der Markt bereit ist, die gegenüber der Folienverpackung eventuell höheren Kosten für Papier zu tragen.

04 – Folien aus recyceltem PE

Im Zusammenhang mit der Schrumpffolie aus Polyethylen (PE) gibt es im Prinzip drei verschiedene Hebel, um die Verpackung in ökologischer Hinsicht zu optimieren: Materialeinsparung, Energieeinsparung und Recycling. „Das Thema Folienstärke ist ausgereizt“, erklärt Klumpe. „Wir haben in Europa schon Folien von nur 24 µm Dicke verwendet. Alles, was dünner ist, lässt sich entweder nicht verarbeiten oder ist so teuer, dass es im Markt nicht durchsetzbar ist.“ Zum Vergleich: In China kommen Folien von 80 bis 100 µm zum Einsatz, weil die extrem langen Transportwege und die Transportbedingungen ein dünneres Material gar nicht zulassen. Das Thema Energieeinsparungen ist auf Maschinenseite auch kaum weiter zu optimieren, so Klumpe: „Hier diskutieren wir mit Folienherstellern und experimentieren selber, um Folien zu finden, deren Schrumpfvorgang weniger Energieeinsatz erfordert.“ Bleibt das Recycling: „Darauf haben wir leider nur beschränkten Einfluss“, stellt Klumpe fest. „Darüber sprechen natürlich in erster Linie unsere Kunden mit den Folienherstellern, deren direkte Abnehmer sie ja sind. Unsere Aufgabe ist es, den Einsatz der Materialien auf unseren Maschinen technisch zu ermöglichen – da haben wir schon Folien aus 100 Prozent Recyclingmaterial mit sehr gutem Schrumpfverhalten verarbeitet.“ Allerdings gilt auch hier, das weiß der erfahrene Product Manager, dass die Nachfrage das Angebot weit übersteigt. Entsprechend kostet recyceltes PE (noch) mehr als neues Material.

Durch den Wechsel zur Verpackungslösung Nature MultiPack™ kann die Carlsberg Gruppe bis zu 76 Prozent an Kunststoff einsparen – mehr als 1.200 Tonnen jährlich.
Durch den Wechsel zur Verpackungslösung Nature MultiPack™ kann die Carlsberg Gruppe bis zu 76 Prozent an Kunststoff einsparen – mehr als 1.200 Tonnen jährlich.

Es bleibt spannend

Selbstverständlich werden alle Entwicklungen, die eine Verbesserung der Maschinen darstellen oder die Verarbei­tung von nachhaltigen Verpackungsmaterialen erlauben, von KHS auch als Umbauten für bereits instal­lierte Maschinen bereitgestellt, sofern das technisch möglich ist.

Resümierend stellt Karl-Heinz Klumpe fest, dass sich aufgrund der vielen Parameter, die es zu berücksichtigen gilt, meist gar nicht abschließend feststellen lässt, welche die Verpackung mit der geringsten ­Umweltbelastung ist. Vielmehr gehe es darum, in einer großen gemeinsamen Anstrengung aller an jeder nur möglichen Stellschraube zu drehen, welche die ökologischen Auswirkungen verringern kann. Trotzdem bleibt auch auf absehbare Zeit ein Spannungsverhältnis maßgeblich, dass die Entwicklungen bisher bestimmt: Auf der einen Seite die Kosten, die manchmal verhindern, dass sich eine gute Idee auch am Markt durchsetzt, und auf der anderen Seite die gesetzlichen Vorgaben, ohne die ein Fortschritt leider häufig nicht erzielt wird.

Noch Fragen zu nachhaltiger Sekundär­­­-Verpackung?

Karl-Heinz Klumpe
KHS GmbH, Kleve

Telefon: +49 2821 503 212
E-Mail: karl-heinz.klumpe@khs.com