Kompetenz auf ganzer Linie
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Anlagengeschäft in der Getränkeindustrie vollständig verändert: Gefragt sind heute eher Komplettanbieter als Spezialisten für Einzelmaschinen. Edgar Petsche, Tobias Wetzel und Albert Dingeldein sprechen über veränderte Kundenerwartungen und wie KHS diese heute und morgen erfüllt.
Welche Lösungen fragen Kunden heute nach, die über eine Einzelmaschine oder eine Anlage hinausgehen?
Petsche: Kunden erwarten heute nicht nur eine Aufgabenerfüllung im Sinne von Leistungswerten und Formaten. Eine Linie von KHS soll auch die Zukunft abbilden können. Sie muss dafür vorbereitet sein, künftig zusätzliche Formate zu verarbeiten oder um neue Technologien etwa im Bereich von Sekundär- und Tertiärverpackung erweiterbar sein. Und sie muss den Regularien unserer Kunden rund um das Thema Nachhaltigkeit entsprechen. Unser Konzept der Systemlösung ermöglicht es uns, mit Flexibilität und Modularität, aber auch mit Ressourceneinsparungen gemeinsam über den Tellerrand zu schauen.
Wetzel: Die Frage nach einzelnen Maschinen stellt sich gar nicht mehr. Kunden wollen eine Funktion kaufen, in der Gewissheit, diese bedarfsgerecht weiterentwickeln zu können. Die Zukunft ist immer weniger vorhersehbar, was die Lebenszyklen von Konsumprodukten betrifft. Flaschengrößen zum Beispiel verändern sich, der Trend geht von kohlensäurehaltigen Softdrinks zu stillen Getränken und aseptische Produkte sind auf dem Vormarsch - da kann man eine Produktionslinie nicht mehr nur auf ein einziges Produkt ausrichten.
Dingeldein: Deshalb bieten wir eine Plattform, die den Gedanken der Nachhaltigkeit belebt. So können wir Kunden, die in ihrer Linie viele Formate verarbeiten, auch nach Jahren zusätzliche Funktionen anbieten, die sich als einfache Zusatzmodule schnell in die Anlage integrieren lassen. Wir denken das Thema Retrofit* für die Zukunft vor und konfigurieren unsere Linien entsprechend.
* Retrofit = Modernisierung von Anlagen durch den Austausch von Teilen oder Modulen
Welches Selbstverständnis resultiert für KHS aus dieser Situation?
Petsche: Wir verkaufen nicht nur Anlagen, sondern unterstützen unsere Kunden auch mit Beratung: Wir beschäftigen uns intensiv mit den Märkten und Trends und können mit unserem Know-how eine Antwort auf die Frage geben, wie eine Anlage auch in 25 Jahren noch hohe Wirkungsgrade erzielt. KHS ist weniger Lieferant als Partner, mit dem gemeinsam man Systemlösungen erarbeitet.
Dingeldein: Als Turnkey-Anbieter kümmern wir uns um alle Belange der Getränkehersteller, damit diese sich auf ihr eigenes Geschäft konzentrieren können. Wir müssen die zukünftigen Anforderungen verstehen und bedienen, die hinter der technischen Aufgabenstellung stehen.
Wetzel: So eine komplette Linie funktioniert ja wie ein Orchester: Im Fokus steht nicht der Supersolist, der mit einer einzelnen Funktion heraussticht. Um Nachhaltigkeit, Effizienz und Leistung sicherstellen zu können, muss alles ineinandergreifen.
»Gesucht sind Partner wie KHS, denen man entlang der gesamten Wertschöpfungskette vertraut.«
Leiter Market Zone Europe/CIS, KHS GmbH
Dingeldein: Heute müssen wir auch Linien, halbe Linien oder Handelsware integrieren, eine Aufgabe, die früher Planungsbüros des Kunden übernommen haben.
Petsche: Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wer sich als Getränkehersteller auf die Qualität seiner Produkte konzentrieren will, kann sich nicht um jedes Detail der Produktionsanlage kümmern. Gesucht sind Partner wie KHS, denen man entlang der gesamten Wertschöpfungskette vertraut – von der Anlagenplanung über den Bau, die Inbetriebnahme, die Schulung ihres Personals bis hin zum After-Sales Service, wo unter dem Stichwort Predictive Maintenance Instandhaltungsarbeiten nur im Bedarfsfall abgerufen werden.
Wer trifft im Unternehmen die Entscheidung für einen Systemlieferanten?
Wetzel: Investitionsentscheidungen werden immer öfter von Finanzleuten getroffen. Diese betrachten meist nur Zyklen von 10 bis 15 Jahren. Aus unserer Sicht ist das kurzsichtig, denn Laufzeiten von 30 Jahren und mehr sind bei KHS die Norm. Wir müssen sehen, mit welchen Botschaften wir hier auf die Entscheidungsfindung einwirken können. Durch Predictive Maintenance etwa ergeben sich zwar Kostenvorteile daraus, dass Maschinenteile länger genutzt werden können, andererseits kostet aber die dafür erforderliche Technik auch Geld. Ein weiteres Thema ist die einfache Bedienung – angesichts von Fachkräftemangel ist das entscheidend. Wir machen unsere Linien selbsterklärender, damit sie mit weniger oder weniger qualifiziertem Bedien- und Instandhaltungspersonal betrieben werden können. Wir verkürzen Umrüstzeiten, und wir denken bei Schulungen darüber nach, ob sie immer vor Ort erfolgen müssen oder ob es auch remote geht. Vor zehn Jahren haben wir schon damit begonnen, Schulungselemente in unser HMI zu integrieren.
Dingeldein: Die Frage ist, wie sich alles ergänzt: HMI, schnelle Umrüstung, eine übergreifende Sicht der Linie – das sind technische Aspekte. Wie aber bringen wir diese mit dem menschlichen Faktor zusammen, damit alles funktioniert? Heute gibt es beim Bedienpersonal eine hohe Fluktuation, auf die wir reagieren müssen. Das Wissen muss bei den Maschinen bleiben und nicht mehr beim Operator.
Petsche: Früher haben sich unsere Kunden einen Technikerstab geleistet. Heute überlegt man, wo Verantwortung auf die Lieferanten verlagert werden kann. KHS kann hier sowohl mit seiner Beratungsleistung als auch mit der Entwicklung neuer Produkte punkten. Zugleich können Sie die tollsten Anlagen bauen, wenn Sie diese vor Ort aber nicht warten können, haben Sie ein Problem. Wir liefern ja nicht nur nach England und Frankreich, sondern nach Usbekistan, in den Senegal und andere entlegene Märkte. Wir können nur so gut sein wie unsere Mitarbeiter, die dort die KHS-Fahne hochhalten.
Was zeichnet KHS in den Regionen aus?
Wetzel: Wir haben sehr qualifizierte Techniker vor Ort. In den letzten drei Jahren haben wir hier massiv investiert und werden das auch weiter tun. Ich glaube nicht, dass man 150 Jahre im Markt bestehen kann, ohne einen leistungsfähigen Service zu bieten.
Petsche: Die Entwicklung geht in Richtung Advanced Service Solutions. KHS profiliert sich hier mit seinem ganzheitlichen Ansatz, der unsere langlebigen und robusten Maschinen zu hohen Verfügbarkeiten führt. Voraussetzung dafür ist die Beratung, die primär durch unsere lokalen Gesellschaften erfolgt. Sie stellen mit ihrer Service-Kompetenz, der Verfügbarkeit von Teilen, Umbauten und Spezialisten langfristig eine hohe Zufriedenheit sicher. Das ist für mich das größte Pfund, das wir in Hinblick auf unser Folgegeschäft einbringen können. Auch im Projektmanagement machen Menschen den Unterschied: Hervorragend ausgebildete Mitarbeiter, Teams, die harmonieren und performen – sie sorgen für außergewöhnliche Kundenbeziehungen.
Dingeldein: Das kann ich bestätigen. Die Nähe zum Regional Center ist wichtig – da fängt alles an.
Wetzel: Die Zentrale dient als Know-how-Center und Unterstützer, als Facilitator. Die globale Vernetzung unserer Struktur ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wenn unsere Kunden neue Märkte erschließen, ist KHS dabei, etwa in Myanmar, Chile oder Pakistan. Dort können wir die Getränkehersteller auf ihrem Weg nach Kräften unterstützen.
»Die globale Vernetzung unserer Struktur ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor von KHS.«
Geschäftsführung Sales and Service
Was ist die treibende Kraft auf dem Weg zur Systemlösung?
Wetzel: Unsere Technologien müssen einen Mehrwert für Konsumenten bieten. Die Plasmax-Technologie etwa macht nur Sinn, weil der Verbraucher möglichst kleine Flaschen für jedes noch so ausgefallene Produkt haben möchte. Gleichzeitig wollen unsere Kunden das Gewicht reduzieren. Je geringer das Gewicht der Flasche, desto kürzer ist die Lebensdauer des Produktes. Hier hat die Plasmax-Technologie eine Daseinsberechtigung, weil sie das Shelf-Life deutlich erhöht, indem sie die Vorzüge von PET und Glas verbindet. Vor 15 Jahren hatte man das so noch nicht im Blick, aber jetzt hat sich dafür eine neue Nachfrage entwickelt.
Petsche: Markt und Konsument diktieren das Geschehen, sowohl bei unseren Kunden als auch bei uns. Bier, CSDs oder sensitive Getränke – gefragt ist Diversifikation, sowohl bei den Produkten als auch bei der Verpackung. Die Produktzyklen sind um ein Vielfaches kürzer geworden. Entsprechend weiten wir unser Portfolio aus. Durch Zukäufe – etwa von Corpoplast mit seiner PET-Kompetenz – und durch organische Weiterentwicklung ist KHS zu einem Systemlieferanten geworden. Meine Vision ist, dass die Schnittstellen zwischen Kunden und KHS weiter verschmelzen und die Wertschöpfung an sich zunehmend in den Vordergrund rückt. Viele aktuelle Entwicklungen wie Predictive Autonomous Maintenance sind für mich Zwischenschritte auf dem Weg dorthin.
Wetzel: Der Trend geht dahin, dass unsere Kunden „peace of mind“ erwarten und sich wünschen, dass wir ihre Anlage betreiben. Im Moment liegen unsere Kernkompetenzen noch im Bau und der Wartung von Anlagen. Beim Betrieb einer Linie gibt es so viele Stakeholder und Einflussfaktoren, dass genau definiert werden muss, wo die Hoheit des Betreibers endet und die des Kunden beginnt. Wer die Verantwortung übernimmt, muss Einfluss auf die Produktionsplanung haben. Unterm Strich muss das sowohl für den Kunden als auch für uns wirtschaftlich sinnvoll sein.
Was unternimmt KHS, um neue Trends im Getränkemarkt zu antizipieren?
Wetzel: Neben unserem Regelprozess für die Innovationsentwicklung sind für mich die Menschen bei KHS die wesentlichen Impulsgeber: Jeder von uns ist als interessierter Konsument mit offenen Augen unterwegs. Ideen wie das Nature MultiPack™ hat man nicht am Schreibtisch, sondern in ganz alltäglichen Situationen, in der Freizeit oder im Austausch mit Kollegen. Als Unternehmen muss man darüber hinaus auch individuelle Freiräume bereitstellen, um solche Entwicklungen zu ermöglichen.
Petsche: Neben den einschlägigen Consumer Insight Reports, die wir analysieren und interpretieren, sehe ich den Dialog mit unseren Kunden als die eigentliche Inspirationsquelle. Wir haben sowohl mit inhabergeführten, sehr innovativen Unternehmen zu tun als auch mit unseren globalen Key Accounts. Mit allen sprechen wir intensiv, um zu verstehen, welche Herausforderungen sie langfristig am Markt sehen. In Workshops mit unseren Kunden, zu denen wir auch Lieferanten einladen, etwa Folien-, Karton- oder Chemikalienexperten, entstehen viele Ideen. Auf deren Basis denken wir darüber nach, wie sich diese in neue Produkte übersetzen lassen. In den 150 Jahren unserer Geschichte hat uns unser Pioniergeist geprägt und einen Innovationsführer aus uns gemacht.