Wenn es um die Servoantriebstechnik von Maschinen geht, gibt es weltweit zwei große Player: Siemens und Rockwell Automation. In der Vergangenheit waren KHS-Verpackungsmaschinen aus Kleve meist mit einem Hybridsystem ausgestattet, bei dem die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) und Visualisierung entweder von Siemens oder Rockwell stammten und für die Servotechnik Indramat-Motoren von Bosch Rexroth als Standard eingesetzt wurden.

Im Zuge der technischen Weiterentwicklung und Standardisierung entschied man sich bei KHS, zukünftig auf SPS und Simotion D von Siemens zu setzen, insbesondere, weil die verwendete Baureihe der Indramat-Servoantriebe von Bosch Rexroth abgekündigt und durch eine neue Serie ersetzt wurde. Siemens-Technik wird jedoch nicht überall auf der Welt akzeptiert, erklärt Karl-Heinz Klumpe, Product Manager Packaging bei KHS in Kleve: „Wir haben immer gesagt, damit alleine kommen wir nicht klar. Speziell für den nordamerikanischen Markt, der von Rockwell Automation dominiert wird, mussten wir eine gleichwertige, rein amerikanische Lösung entwickeln, um auch hier weiterhin zu 100 Prozent wettbewerbsfähig zu bleiben und die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen.“

Dass Amerikaner sich am liebsten für amerikanische Technologie entscheiden, ist schließlich nicht erst seit dem Megadeal des US-Militärs zur Beschaffung von Tankflugzeugen vor einigen Jahren bekannt, als der europäische Flugzeugbauer Airbus sich seinem amerikanischen Rivalen Boeing nach einem spektakulären Bieterkampf geschlagen geben musste. Verständlich, dass nicht nur die amerikanische Politik, sondern auch US-Unternehmen am liebsten auf inländische Produkte zurückgreifen – sie alle eint die Sorge um die heimischen Arbeitsplätze.

Im Bereich der KHS-Abfüllanlagen kommt in der Servo­antriebstechnik die Rockwell-Lösung bereits seit 2008 zum Einsatz. Hier exemplarisch am Innofill Glass DRS.
Im Bereich der KHS-Abfüllanlagen kommt in der Servo­antriebstechnik die Rockwell-Lösung bereits seit 2008 zum Einsatz. Hier exemplarisch am Innofill Glass DRS.

Zunehmende Standardisierung

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Der zunehmende Trend zur Standardisierung erfasst nicht nur die Kunden, sondern auch KHS, wie Klumpe betont: „Viele große Unternehmen fahren inzwischen Standardisierungsprogramme, um über die Anlagenstückzahl Kosten zu sparen und die Lagerhaltung zu reduzieren. Stellen Sie sich vor, da würde jeder Anlagenbauer mit seiner eigenen Steuerung und Antriebstechnik arbeiten. Und natürlich kann man eine Kundenvorgabe von Fall zu Fall für jede einzelne Maschine umsetzen. Auf Dauer wirtschaftlicher ist es aber, gleich den Weg zu gehen, die beiden Systeme anzubieten, die weltweit die größte Akzeptanz genießen.“

Langfristige Perspektive

Genau das hat KHS dann in eigener Initiative getan, wie Christopher Stuhlmann, Director Product Center Packaging Technology in Kleve, betont: „Für uns war es wichtig, diese Nische, die wir bisher nur im Einzelfall auf Kundenwunsch bedient haben, mit einem Standard zu schließen. Jetzt können wir mit unseren Anlagen praktisch jede Anfrage weltweit bedienen, weil wir zwei jeweils durchgängige Systeme mit Komponenten der beiden führenden Hersteller anbieten.“ Das bedeutet, dass in der Praxis Servoantriebe der neuesten Rockwell-Generation Kinetix 5700 beziehungsweise von Siemens die Baureihe Simotion D eingesetzt werden, die beide eine Lieferfähigkeit von deutlich über zehn Jahren aufweisen und damit eine langfristige Perspektive bieten.

»Rund die Hälfte unserer Kunden wird die Rockwell-Lösung in Zukunft von uns fordern.«

Der Weg dahin war mit einem erheblichen zeitlichen und personellem Aufwand verbunden, wie Karl-Heinz Klumpe erläutert: „An der Entwicklung haben insgesamt vier Elektrokonstrukteure und Software-Entwickler rund ein Jahr lang gearbeitet. Wir mussten die KHS ClearLine HMI auf das Rockwell-System portieren und kompatibel machen. Dabei waren wir mit einer anderen Software respektive einem anderen Programmierumfeld konfrontiert. Stellen Sie sich das in etwa so vor, als hätten Sie eine umfangreiche App für das Betriebssystem iOS programmiert und müssten diese jetzt für Android adaptieren. Hier wie dort handelt es sich um komplett unterschiedliche Entwicklungsumgebungen.“ Aus Sicht von KHS gibt es zu diesem Weg keine Alternative: „Rund die Hälfte unserer Kunden werden das in Zukunft von uns fordern, sofern sie es nicht schon heute tun.“

Wenig Unterschied

Die Rockwell-Lösung ist übrigens keineswegs auf die Verpackungsmaschinen beschränkt. Im Bereich der Abfüllmaschinen existiert ein ähnliches Modell bereits seit 2008 – zum einen, weil ein großer Teil der Anlagen für den amerikanischen Markt am KHS-Standort Waukesha in Wisconsin, USA, gebaut wird, und zum anderen, weil hier der Marktbedarf schon sehr viel früher vorhanden war. In einem sind sich Verpackung und Fülltechnik jedoch einig: Die beiden Steuerungen unterscheiden sich unter funktionalen Aspekten nicht wesentlich, wie sowohl Klumpe als auch sein Kollege Ingolf Betz, Head of Electrical Engineering/Commissioning im Product Center Filling Technology, feststellen.

Ihr Ansprechpartner zum Thema

Karl-Heinz Klumpe
Product Manager Packaging
KHS GmbH, Kleve

Telefon:+49 2821 503-212
E-Mail: karl-heinz.klumpe@khs.com