Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, dichtete im 18. Jahrhundert der deutsche Poet Matthias Claudius. Das kann Andreas Thomke, den sein Job als Global Service Key Account Manager bei KHS kürzlich nach Papua-Neuguinea führte, bestätigen. Darauf, dass sein exotisch klingendes Reiseziel manche Herausforderung bereithalten würde, war er vorbereitet. Nicht gefasst war er jedoch darauf, dass ihm sein Gepäck abhandenkam und er damit bei seiner Ankunft in die Verlegenheit geriet, als Ein-Meter-Neunzig-Mann neue Kleidung einkaufen zu müssen – in einem Land, dessen Bewohner im Durchschnitt einen Kopf kleiner sind als er. Nicht umsonst trägt der Inselstaat im Pazifik den Beinamen „Land of the Unexpected“, sinngemäß etwa „die Heimat des Unerwarteten“. Dass viele Teile des Landes nur per Flugzeug oder Schiff zu erreichen sind, weil es nur wenige befestigte Straßen gibt, die Häufigkeit von Tropenkrankheiten wie Denguefieber oder Malaria sowie eine hohe Kriminalitätsrate lassen das Land für westlich orientierte Reisende wenig einladend erscheinen.

»Die Techniker, die hier gebraucht werden, sollten sich mit Maschinen aus allen KHS-Standorten auskennen.«

„Zusätzlich zu diesen Rahmenbedingungen gilt es in Papua-Neuguinea als schwierig, an gutes Personal zu kommen“, sagt Thomke. „Auch wenn man seine Leute geschult hat, ist es kaum möglich, die Mitarbeiter zu binden. Das liegt an den vielen gut zahlenden Kupfer- und Goldminen mit ihrer stark schwankenden Auslastung. In Boom-Zeiten sind Arbeitskräfte wie weggefischt. Erschwerend kommt hinzu, dass 90 Prozent der rund 7,5 Millionen Einwohner Papua-Neuguineas auf dem Land leben, also in unwegsamem Bergland beziehungsweise im Dschungel, größtenteils traditionell in Familien­verbänden. Passiert im heimischen Dorf oder Stamm etwas, kann es vorkommen, dass ein Arbeiter von einem Tag auf den anderen verschwindet, wenn er vor Ort mehr gebraucht wird.“

Das zum Commonwealth gehörende Land zeichnet sich durch einen kleinen, aber stetig wachsenden Biermarkt aus, der 2016 ein Volumen von rund 72 Millio­nen Litern umfasste. Als einer der größten Brauereikonzerne weltweit unterhält die Heineken-Gruppe hier zwei Produktionsstätten – eine in der Hauptstadt Port Moresby, die andere im rund 300 Kilometer entfernten Lae, der zweitgrößten Stadt im Nordosten des Landes. In beiden Betrieben stehen jeweils zwei KHS-Abfülllinien, pro Standort eine für Glasflaschen und eine für Dosen. Wurden die Anlagen in der Vergangenheit durch das Service-Team von KHS Australien betreut, erfolgt die technische Versorgung der Anlagen inzwischen durch den spezialisierten KHS-Service in Singapur.

Im Rahmen von Messungen an Maschinen und Transportbändern im laufenden Praxisbetrieb wird nach potenziellen Leistungs­steigerungen gesucht.
Im Rahmen von Messungen an Maschinen und Transportbändern im laufenden Praxisbetrieb wird nach potenziellen Leistungs­steigerungen gesucht.

Brasilianische Lösung

Da die beiden Brauereien eine gewisse Aufmerksamkeit im holländischen Headquarter genießen, wurde intensiv nach einer Lösung gesucht, die schließlich einigermaßen überraschend aus Brasilien kam, der Heimat eines der größten Service-Bereiche von KHS weltweit. Hier wurde ein Vorschlag ausgearbeitet, bei dessen Vorstellung schnell klar wurde, dass er die Erfordernisse von Heineken viel besser abdeckte, als es ein „Embedded Engineer“ je gekonnt hätte. Unter Federführung von Franz Beissel, Managing Director von KHS Brasilien, und Luis Pino, Technical Training and Service Manager, entstand ein mehrstufiges Konzept, dessen wichtigste Elemente ein Line-Audit, eine Grundlagenschulung sowie Anlagenschulungen des gesamten Personals sind – vom Bediener bis hin zum Management. Insgesamt erforderte das Service-Paket von KHS drei Besuche von jeweils vier Wochen, davon zwei in jeder Brauerei. Ausreichend lange Pausen gaben dem Heineken-Team Gelegenheit, die aus den Audits gewonnenen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen abzuarbeiten und umzusetzen. Inhaltliche Aspekte wie das Layout der Linien und dessen Einfluss auf die Performance sollten bei dem Personal vor Ort Verständnis für die Technik wecken.

Mit einer Fläche von über 40.000 Quadratmetern ist KHS Brasilien in São Paulo eines der größten Einzelwerke des Dortmunder Systemanbieters.
Mit einer Fläche von über 40.000 Quadratmetern ist KHS Brasilien in São Paulo eines der größten Einzelwerke des Dortmunder Systemanbieters.

Ein wichtiges Stichwort war in diesem Zusammenhang „Ownership“: Die Mitarbeiter von Heineken sollten die Anlagen als „ihre“ Maschinen begreifen, deren Funktion in „ihrer“ Verantwortung lag. Team-Building wurde dabei großgeschrieben. Als Ergebnis dieses ersten Besuchs ergab sich aus den Vorschlägen von KHS umfassender Handlungsbedarf für die lokalen Teams – sowohl hinsichtlich der Linien- und Prozessoptimierung als auch der Organisation, Verantwortung und Anlagenkompetenz. Beim zweiten Besuch erfolgte die Kontrolle der bisher erreichten Umsetzungsergebnisse, bevor in einem Abschlussbesuch mit erneuter Status­überprüfung letzte Maßnahmen besprochen wurden.

»Unsere brasilianischen Service-Techniker sind so begehrt, dass sie überall auf der Welt zum Einsatz kommen.«

Erfolgsmodell mit Seriencharakter

Im Headquarter von Heineken stoßen das Programm und dessen Ergebnisse auf großes Interesse, umso mehr, als man dort erwägt, es im Erfolgsfall auf zwei bis drei weitere Brauereien in Entwicklungsgebieten pro Jahr auszuweiten. Eine noch intensivere Version des Paketes mit jeweils sechs Monate langen Schulungsintervallen wird zum Beispiel gerade in Haiti umgesetzt, wo ähnliche Eingangsbedingungen herrschen wie in Papua-Neuguinea.

Die Verantwortung dafür wird größtenteils wieder in der Hand von KHS Brasilien liegen. „Wir sind sehr gut im Bereich der Linienoptimierung“, betont Beissel. „Wir haben das Thema mit den Kollegen am KHS-Produktionsstandort in Bad Kreuznach gemeinsam aufgezogen.“ Dementsprechend rund läuft aus seiner Sicht das Heineken-Projekt in Papua-Neuguinea, bei dem seine Mitarbeiter in der Rolle von Coaches fungieren.

Service-Hub Brasilien

Brasilien verfügt über eine große Service-Organisation mit insgesamt rund 60 Monteuren, in deren Schulung viel investiert wurde und die nach deutschen Standards zertifiziert sind. Die meisten der Techniker kennen mehr als eine Maschine und sind ausgewiesene Ex­perten auf ihrem Gebiet. 2016 hat KHS Indústria de Máquinas Ltda., wie das in São Paulo beheimatete Unternehmen offiziell firmiert, ein neues Schulungszentrum mit eigenem Auditorium eröffnet. An Stationen mit Füller, CIP und CO2-Anlagen können auch KHS-Kunden die Inbetriebnahme von Maschinen erlernen – inzwischen ein eigenes Geschäftsfeld, auf dessen Erfolg Beissel stolz ist. Seit neun Jahren ist er für KHS in Brasilien tätig; 2010 hat er dort den Service-Bereich übernommen und gründlich ausgebaut.

„In Brasilien können wir das gesamte Portfolio von KHS installieren – ohne Unterstützung aus Deutschland“, beschreibt Beissel die hohe technische Kompetenz seines Teams. „Und unsere brasilianischen Service-Techniker sind so begehrt, dass sie überall auf der Welt zum Einsatz kommen – aktuell arbeitet ein Team von fünf Monteuren in Angola, ein weiteres in Chile.“

Mit insgesamt rund 60 Service-Mitarbeitern gehört die After-Sales-Organisation des brasilianischen KHS-Werkes zu den größten innerhalb des gesamten Unternehmens.
Mit insgesamt rund 60 Service-Mitarbeitern gehört die After-Sales-Organisation des brasilianischen KHS-Werkes zu den größten innerhalb des gesamten Unternehmens.

Weltumspannende Linienverlagerung

Ein anderer Service, den KHS länderübergreifend anbietet, ist die Linienverlagerung – hier ebenfalls vorgestellt am Beispiel der holländischen Brauereigruppe und KHS Brasilien: Bei Heineken Nederland in Zoeterwoude stand eine zehn Jahre alte Linie für 5-Liter-Kegs. Angesichts des wachsenden Marktes in Brasilien überlegte die Großbrauerei, die komplette Linie dorthin zu verlagern – ein Projekt mit vielen Herausforderungen, wie sich Franz Beissel erinnert.

„Zunächst musste die Linie überholt und zurückgebaut werden, denn zwischenzeitlich war sie in Holland für 4-Liter-PET-Kegs umgerüstet worden. Anschließend haben wir die Anlage demontiert, verpackt und verschickt, bevor sie an ihrem Bestimmungsort Ponta Grossa im Süden Brasiliens wieder zusammengebaut und in Betrieb genommen wurde.“ Allein das 5-Liter-Format, das bisher nach Brasilien importiert werden musste, ist von einer gewissen Komplexität, denn es enthält eine CO2-Kapsel, die erst nach dem Füllen und Schließen aktiviert wird, um die Haltbarkeit des Bieres zu verbessern. Zusätzlich zum Abfüllraum, der schon in den Niederlanden mit Überdruck durch sterile Luft abgeschlossen war, mussten für die Aufstellung in Brasilien klimabedingt weitere Teile der Linie eingehaust werden – von der Entwicklung eines neuen, auf den Aufstellungsort der Anlage abgestimmten Layouts ganz abgesehen. Hinzu kam, dass nicht alle Maschinen von KHS waren: Die über die zwei Füller und den Kurzzeiterhitzer hinausgehenden Teile wie Packer, Entpalettierer und Palettierer sowie ein Teil der Transporteure stammten von Drittfirmen. Dennoch trat das Team von Beissel als General­unternehmer an und machte Heineken ein Angebot für das Gesamtpaket. Im Februar 2016 startete der Abbau, und rechtzeitig zur Olympiade in Rio de Janeiro konnte Anfang August die Linie im Rahmen einer großen Party übergeben und eingeweiht werden.

Was so kompliziert klingt, ist für Beissel und sein Service-Team im Grunde Routine, haben sie doch in Brasilien schon oft Linienverlagerungen vorgenommen. Und angesichts der Vielzahl an erfolgreichen Service-Lösungen, die KHS in buchstäblich weltumspannendem Teamwork entwickelt und umsetzt, ist Heineken sicher nicht der letzte Kunde, der dieses Netzwerk in allen Ecken der Welt gerne nutzt.

Ihre Ansprechpartner zum Thema

Franz Beissel
Managing Director
KHS Indústria de Máquinas Ltda., São Paulo

Telefon: +55 11 2951-8123
E-Mail: franz.beissel@khs.com

Andreas Thomke
Global Service Key Account Manager
KHS GmbH, Bad Kreuznach

Telefon: +49 (0)671 852-2970
E-Mail: andreas.thomke@khs.com